Plinio Martini
© Alberto Flammer

Plinio Martini

«Plinio Martini wollte das Leben im engen Tal für die Seinen dokumentieren. Er tat es mit solcher Meisterschaft, dass wir alle von der Menschlichkeit in seinen Werken berührt werden.» Neue Luzerner Zeitung

Plinio Martini (1923–1979) wurde in Cavergno als Sohn eines Bäckers in ärmliche Verhältnisse geboren. Er wuchs mit sieben Brüdern im Dorf und im Val Bavona auf. 1942 schloss er das Lehrerseminar in Locarno ab und unterrichtete zeitlebens im Maggiatal, erst in Cavergno und später in Cevio.

Anfang der 1950er-Jahre erschienen im «Giornale del popolo» erste Erzählungen sowie die Gedichtbände «Paese così» und «Diario forse d’amore». 1970 folgte sein erster Roman «Il fondo del sacco», der vier Jahre später in deutscher Übersetzung unter dem Titel «Nicht Anfang und nicht Ende» erschien. Der Roman erzählt von einem Tessin jenseits der verbreiteten Tessinklischees und gehört längst zu den Klassikern der Tessiner Literatur. Martini starb 1979 im Alter von nur 56 Jahren.

 

Chronologie des Lebens von Plinio Martini

1923. Martini wird am 4. August in Cavergno als zweites von acht Kindern des Bäckers Adeodato und der Lehrerstochter Maria geboren.

1936. Er verlässt Cavergno, um am Collegio Papio in Ascona zu studieren. Im Jahr 1938 wechselt er an das kantonale Gymnasium in Locarno und schreibt sich im folgenden Jahr nach dem Abschluss an der Scuola Normale ein.

1942. Im Juli erwirbt er das Grundschullehramt und wird nach einem Jahr als Aushilfslehrer 1943 in Cavergno als Lehrer angestellt.

1945. Im Oktober heiratet er Maria Del Ponte aus Bignasco. Im Januar 1947 wird ihr ältester Sohn Alessandro geboren; ihnen folgen Luca 195o und Lorenzo 1958. Zwei Kinder sterben im Säuglingsalter.

1951. Sein Debüt als Dichter ist der Gedichtband «Paese così», die bei Arti Grafiche Carminati in Locarno erscheint und mit dem Preis der Schiller-Stiftung und dem Premio Francesco Chiesa ausgezeichnet wird.

1953. Im September veröffentlicht Carminati seinen zweiten Gedichtband, «Diario forse d'amore». Das Werk wird eher zurückhaltend aufgenommen.

1956. Im Herbst wird das Wasserkraftwerk Sambuco in Lavizzara, das erste im Maggiatal, in Betrieb genommen. Am 3. Oktober veröffentlicht Martini im Giornale del Popolo das «Lamento per la mia valle», ein langes, dem Schriftsteller Giuseppe Zoppi gewidmetes Gedicht, das die durch die Wasserkraftnutzung verursachten Veränderungen thematisiert. Im selben Jahr erscheint die Kindergeschichte «Storia di un camoscio», die von der ESG in Zürich im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt wurde.

1957. Am 15. Oktober erscheint von Martini im Giornale del Popolo ein erster Zeitungsartikel, betitelt mit «Valmaggia sfortunata».

1962. Er veröffentlicht eine zweite Kindergeschichte, «Acchiappamosche e il maiale», mit der er 1961 den ESG-Wettbewerb gewann.

1963. Im April beendet Martini eine dritte Gedichtsammlung mit einem biblischen Thema, «Ed eri in mezzo a noi», die unveröffentlicht bleibt.

1964. Während eines einjährigen Sabbaticals arbeitet er zusammen mit dem Kunsthistoriker Virgilio Gilardoni als Archivar bei der Schweizerischen Gesellschaft für Kunstdenkmäler. Eine Gruppe innerhalb der Vereinigung Pro Valle Maggia, deren Präsident Martini zwischen 1960 und ist, bricht mit der alten Garde, die der Untätigkeit beschuldigt wird, und organisiert am 6. Juni in Cevio eine Veranstaltung, um die Probleme des Tals zu diskutieren. Die Gruppe fördert die Herausgabe eines eigenen Bulletins, des Almanachs Pro Valle Maggia (1965–1976), an dem Martini regelmässig mitarbeitet. Zu Weihnachten hält er auf Einladung von Pater Alfredo Leber einen Vortrag vor den Priestern der Diözese; die Rede, die erst 1986 unter dem Titel «Plinio Martini disse ai preti» veröffentlicht wird, fasst Martinis Engagement als Katholik zusammen .

1965. Im Februar endet Martinis Zusammenarbeit mit dem Giornale del Popolo. Der Schriftsteller wendet sich von der Poesie ab und intensiviert seine Prosaarbeit, die er vor allem in der Wochenzeitung Cooperazione veröffentlicht. Im November wird er in Zürich wegen eines Magengeschwürs operiert. Im Spital beginnt er mit dem Schreiben von «Il fondo del sacco». Von 1966 bis 1973 amtet er als Friedensrichter im Bezirk Rova.

1970. Im Herbst erscheint die erste Ausgabe von «Il fondo del sacco» bei Casagrande in Bellinzona. Das Buch wird 1971 von der Schiller-Stiftung  ausgezeichnet.

1972. Im April kandidiert Martini bei den Gemeindewahlen in Cavergno für die Autonome Sozialistische Partei, an deren Gründung er 1969 beteiligt war, ohne gewählt zu werden. Für dieselbe Partei kandidiert er 1971, 1975 und 1979 für den Tessiner Grossrat. Nach einer Reihe von Rücktritten wird er im Mai 1972 gewählt, verzichtet jedoch, um seine Tätigkeit als Lehrer nicht aufgeben zu müssen. Er nimmt die Überarbeitung von «Il fondo del sacco» in Angriff und widmet sich wieder dem Verfassen von Gedichten.

1973. Im Frühjahr erscheint die zweite überarbeitete Auflage von «Il fondo del sacco» bei Casagrande.

1974. «Il fondo del sacco» erscheint auf Deutsch, übersetzt von Trude Fein («Nicht Anfang und nicht Ende. Geschichte einer Rückkehr»), zunächst als Fortsetzungsroman in der NZZ und dann in Buchform beim Zürcher Verlag Werner Classen.

1975. Die Erzählung «I funerali di zia Domenica» wird im Sammelband «Pane e coltello» veröffentlicht. In der Zwischenzeit hatte Martini den Text bereits umgeschrieben, erweitert und ihm den Titel «Requiem per zia Domenica» gegeben. Noch vor Ende des Jahres erscheint die neue Fassung bei Werner Classen in der deutschen Übersetzung von Trude Fein («Requiem für Tante Domenica»).

1976. «Requem per zia Domenica» wird auf Italienisch von Il Formichiere in Mailand veröffentlicht.

1977. In den ersten Monaten des Jahres widmet Martini sich dank einer Beurlaubung dem Drehbuch der Fernsehtrilogie «E noi al posto loro?», die vom Schweizer Fernsehen im Herbst 1978 ausgestrahlt wird. Erkrankt, wird er Ende August erneut in Zürich hospitalisiert und kann seine Lehrtätigkeit nicht wieder aufnehmen. «Il fondo del sacco» wird von Jeannine Gehring ins Französische übersetzt («Le fond du sac») und von Bertil Galland in Vevey verlegt. Am 27. Oktober veröffentlicht der Schriftsteller in der Zeitung Cooperazione sein letztes Werk, das Fragment von «In memoria di Ambrogio». Die Entwürfe zu einem neuen Roman werden 1993 von seinem Sohn Alessandro veröffentlicht, der für die unveröffentlichten Texte den Titel «Corona dei Cristiani» wählt.

1979. Martini stirbt am 6. August in Cavergno. Einen Monat nach seinem Tod veröffentlicht Dadò die Sammlung «Delle streghe e d'altro», welche Prosatexte des Autors aus den 1960er und 1970er Jahren versammelt. Die Auswahl und Anordnung des Materials hatte der Autor 1977 noch selbst vorgenommen. Im selben Jahr erscheint das Buch bei Werner Classen, ins Deutsche übersetzt von Susanne Hurni («Fest in Rima. Geschichten und Geschichtliches aus den Tessiner Tälern»).

  • Martini, Plinio, Paese così, Locarno, Carminati, 1951
  • Martini, Plinio, Diario forse d'amore, Locarno, Carminati, 1953
  • Martini, Plinio, Storia di un camoscio, Edizioni svizzere per la gioventù, 1959
  • Martini, Plinio, Acchiappamosche e il maiale, Edizioni svizzere per la gioventù, 1961
  • Martini, Plinio, Il fondo del sacco, 1. ed., Bellinzona, Casagrande, 1970
    (deutsch von Trude Fein: Nicht Anfang und nicht Ende, Werner Claassen Verlag, Zürich 1974)
  • Martini, Plinio, Requiem per zia Domenica, Milano, Ed. Il Formichiere, 1976
    (deutsch von Trude Fein: Requiem für Tante Domenica, Werner Claassen Verlag, Zürich 1975)
  • Martini, Plinio, Requiem per zia Domenica, pref. di Carlo Bo, Giubiasco, Gottardo, 1981
  • Martini, Plinio, Delle streghe e d'altro, a cura di Allesandro Martini, Armando Dadò Editore 1979 (deutsch von Susanne Hurni: Fest in Rima, 1979)
  • Martini, Plinio, Il fondo del sacco, ed. commentata a cura di Matteo Ferrari e Mattia Pini, Bellinzona, Casagrande 2017
  • Martini, Plinio, Diario e lettere giovanili (1940-1957), a cura di Allesandro Martini, Armando Dadò Editore 2017

Plinio Martini im Limmat Verlag

Requiem für Tante Domenica

Requiem für Tante Domenica

Nicht Anfang und nicht Ende

Nicht Anfang und nicht Ende

Fest in Rima

Fest in Rima