Familienbande
Christina Caprez

Familienbande

15 Porträts. Mit drei Experteninterviews mit Ingeborg Schwenzer, Heidi Simoni und Simon Teuscher

Mit Fotografien von Judith Schönenberger

280 Seiten, Broschur, 15 vierfarbige Fotografien
Februar 2012
SFr. 38.–, 38.– €
vergriffen
978-3-85791-672-4

Ein Drittel der Familien lebt heute als traditionelle Kernfamilie. Und die andern? Es gibt Patchworkfamilien aufgrund von Scheidung, aber immer mehr Familien starten bereits unkonventionell: Lesben und Schwule, die sich zusammentun, um eine Familie zu gründen. Single-Frauen, die nicht länger auf den Traummann warten wollen, um ein Kind zu bekommen, Eltern, die in unkonventionellen Arrangements Entlastung und Bereicherung finden. 'Familienbande' erzählt von der Vielfalt dieser neuen Wege, Kinder grosszuziehen. Eltern wie Kinder kommen zu Wort, sie erzählen, wie sie zu der betreffenden Familienform gekommen sind und wie sie den Alltag in ihrer Familie erleben, was die Sonnen- und Schattenseiten der gewählten Familienform sind und wie das gesellschaftliche Umfeld auf sie reagiert. In drei Experteninterviews geben ein Historiker, eine Juristin und eine Psychologin Auskunft zu den durch die Porträts aufgeworfenen Fragen.

Christina Caprez

Christina Caprez, geboren 1977, Soziologin und Historikerin, war Redaktorin bei Radio SRF 2 Kultur und arbeitet heute als freie Journalistin und Autorin. Radio-, Film und Buchprojekte sowie Moderationen im Bereich Familie, Migration, Religion, Geschlecht, Sexualität. Christina Caprez lebt bei Zürich.

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Judith Schönenberger
© Andrea Rufener

Judith Schönenberger

Judith Schönenberger, geboren 1977, Künstlerin, freischaffende Fotografin, Gymnasiallehrerin für Bildnerisches Gestalten und Dozentin für Fotografie sowie Leiterin des gestalterischen Vorkurses und Propädeutikums der "neuen schule für gestaltung bern" am Campus Muristalden. Auszeichnungen, Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland. Zahlreiche Porträtserien sowie Fotoarbeiten zu Fragen der Geschlechtsidentität und der Auflösung von Geschlechtergrenzen.

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«Von der kinderreichen zur elternreichen Zeit»
Vorwort

«Unsere Tochter soll wissen, woher sie kommt.»
Offene Adoption in den USA

«Ich fühle mich nicht als Einzelkind. Meine Familie ist riesig.»
Aufwachsen in einer Wahlfamilie

«Wir haben verpasst, wie Beatriz laufen lernte.»
Teilzeitarbeit als Luxus

«Als ich Aid kennenlernte, sah ich nur noch Störche.»
Von der Kinderlosen zur Alleinerziehenden

 

Ein Blick in die Geschichte
«Patchworkfamilien gab es schon im Mittelalter.»
Interview mit dem Historiker Simon Teuscher
«Wir mussten Kinder haben, damit sich das Glück verteilt.»
Papa, Transpapa und Kind
«Die Kleinfamilie wurde uns zu eng.»
Leben im Wohnkollektiv
«Bei der Trennung war klar, dass die Kinder bei mir bleiben.»
Vater im Herz der Patchworkfamilie
«Ich hatte nie das Bedürfnis, mich zu reproduzieren.»
Vom Samenspender zum Teilzeit-Papa

Ideen für ein neues Rechtssystem
«Ein Kind sollte auch drei Eltern haben können.»
Interview mit der Juristin Ingeborg Schwenzer
«Wir mussten beweisen, dass ein lesbisches Paar Kinder aufziehen kann.»
Eine Regenbogenfamilie im Dorf
«Mit Claude habe ich das Familienleben, von dem ich immer träumte.»
Eine afrikanisch-schweizerische Liebesgeschichte
«Ich habe so viel Liebe in mir, da kann manches kommen im Leben.»
Tochter einer Lesbe und eines Schwulen
«Sieben Kinder kann man nicht alle gleich gernhaben.»
Die Pflege-Grossfamilie

Einsichten aus der Psychologie
«Wir müssen mehr von den Kindern her denken.»
Interview mit der Psychologin Heidi Simoni
«Manchmal fürchte ich, dass sie herkommen und mir die Küche putzen.»
Hausmann in den Bergen
«Nach der Adoption blieb der Wunsch, selber schwanger zu sein.»
Kinderwunsch mit Hindernissen
«Wir sind froh, dass da noch jemand mitträgt.»
Zwei Paare gründen eine Familie

«Von der kinderreichen zur elternreichen Zeit»

Eine Frau, die nie Kinder wollte, verliebt sich Knall auf Fall und ist heute alleinerziehende Mutter. Ein Ehepaar lässt sich scheiden, die Kinder bleiben bei ihm. Ein Mann will einem Frauenpaar helfen, eine Familie zu gründen, und entdeckt eigene Vatergefühle. Ein Paar nimmt zu den drei eigenen noch vier Pflegekinder auf. Eine Mutter gründet mit anderen Frauen und Männern eine Wahlfamilie. Und ein Mann bekommt mit seinem Partner ein gemeinsames leibliches Kind.

Die klassische Kleinfamilie – bestehend aus einem Ehepaar mit eigenen Kindern in der gleichen Wohnung – ist heute nur noch eine von zahlreichen Familienformen. Laut einer Statistik des Bundes werden hierzulande jeden Tag vier bis fünf Kinder durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung geboren. Das traditionelle Rollenmodell mit Alleinernährer und Hausfrau stellt in der Schweiz heute eher die Ausnahme als die Regel dar: Noch Anfang der 1990er-Jahre lebten mehr als die Hälfte der Haushalte mit schulpflichtigen Kindern dieses Modell, heute sind es weniger als ein Drittel. Die Ehe als Lebensform hat an Selbstverständlichkeit eingebüsst, jede zweite Ehe wird geschieden, und zwei von fünf Personen gehen gar nie eine Ehe ein.

Die Menschen in der Schweiz bekommen immer weniger Kinder, und gleichzeitig erlebt ein Kind im Lauf seines Aufwachsens oft mehr als zwei Erwachsene mit Elternfunktionen. Fachleute sprechen darum von einer «elternreichen Zeit» im Gegensatz zu früheren «kinderreichen Zeiten». Zwar ist noch heute die Geburt eines Kindes für zahlreiche Paare ein Anlass zur Heirat – in der Schweiz öfter als in anderen Ländern –, doch viele heiraten 8 aus pragmatischen Gründen. Denn ledige Paare mit Kindern müssen manche bürokratische Hürde nehmen, um ihre Familiensituation rechtlich zu regeln und das gemeinsame Sorgerecht zu erhalten. Homosexuelle Paare mit Kindern wiederum haben gar keine Möglichkeit dazu, und eingetragenen Paaren ist nur schon der Zugang zu künstlicher Befruchtung und Adoption verwehrt.

Dabei ist das Thema Familie gerade unter Lesben und Schwulen in der Schweiz derzeit hochaktuell. Noch vor zwei Jahrzehnten war es für die meisten von ihnen kaum vorstellbar, Eltern zu werden – ein homosexuelles Leben war meist gekoppelt mit dem Verzicht auf Kinder. Seit rund zehn Jahren, parallel zur steigenden Akzeptanz weiter Bevölkerungskreise gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen, gründen homosexuelle Männer und Frauen immer häufiger eine Familie. In der Schweiz wachsen heute Tausende Kinder in sogenannten Regenbogenfamilien auf. Zum einen gibt es Kinder aus früheren heterosexuellen Beziehungen, die bei homosexuellen Eltern leben, zum anderen gründen Lesben und Schwule vermehrt auch nach dem Coming-out Familien. Manchmal tun sich ein schwuler Mann und eine lesbische Frau oder ein Männer- und ein Frauenpaar zusammen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen.

Das Schweizer Gesetz ist punkto Fortpflanzungsmedizin relativ restriktiv.

Alleinstehenden Männern und Frauen sowie homosexuellen Paaren ist der Zugang verwehrt, nur heterosexuelle Paare dürfen eine Samenspende in Anspruch nehmen. Eizellenspende, Embryonenspende und Leihmutterschaft sind verboten, und auch die Konservierung von Embryonen sowie die Präimplantationsdiagnostik sind untersagt. Immer mehr Menschen mit Kinderwunsch reisen darum ins Ausland, um dort reproduktionsmedizinische Angebote in Anspruch zu nehmen. Auf Internetportalen wie familiyproject.ch finden sich Männer und Frauen, die eine Familie gründen wollen, darunter Lesben und Schwule, aber auch immer öfter unfruchtbare heterosexuelle Paare oder Singlefrauen, die einen Samenspender oder Vater für ihr Kind suchen. Die so entstehenden Kinder sind – wie viele in der heutigen Zeit – absolute Wunschkinder, von ihren Eltern sorgfältig geplant und sehnlichst erwünscht. Fünfzehn Familien sind in diesem Buch porträtiert. Es sind Geschichten aus der Schweiz von heute. Geschichten, die überraschend, ungewöhnlich und neu erscheinen mögen – aber auch Geschichten von Familien, deren Alltag sich kaum von anderen unterscheidet. Wie andere Eltern erleben auch die Porträtierten einen Cocktail aus Glücksgefühlen und Unsicherheit, wenn sie ihr Neugeborenes zum ersten Mal in Armen halten. Mütter – und Väter – leiden am Babyblues, wenn das erste Jahr mit dem süssen Kleinen nervenaufreibend ist und ihnen niemand gesagt hat, dass sie einen «hundertprozentigen Pflegefall» zu Hause haben werden, wie es die Mutter eines Zweijährigen ausdrückt.

Sie sind erstaunt, wie unterschiedlich sich ihre Kinder in ein und derselben Familie entwickeln. Sie möchten ihren Söhnen und Töchtern die Freiheit lassen, sich ganz individuell zu entfalten, und sind doch enttäuscht, wenn deren Berufswahl nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Die Kinder wiederum finden ganz selbstverständlich Bezeichnungen für Elternteile und Betreuungspersonen, die über das Mama-Papa-Duo hinausgehen. Sie schämen sich für ihre Eltern, wenn die sich in der Öffentlichkeit uncool verhalten oder nicht den herrschenden Normen entsprechen. Gleichzeitig sehen sie ihre Familie als die normalste der Welt, weil es die ihnen vertraute, die eigene ist.

Die Hintergründe zur Familienvielfalt liefern in diesem Buch drei Fachleute aus der Wissenschaft:

(...)
Schweizer Fernsehen SF1, Club, 21. Februar 2012
Aargauer Zeitung, 23. Februar 2012
familienleben.ch, 6. März 2012 (Interview mit Christina Caprez)
P.S., 15. März 2012 (Buchbeilage)
WOZ Die Wochenzeitung, 5. März 2012
Siegessäule 03/2012
Schulblatt AG/SO, 6/2012
Terre des Femmes Schweiz, Frühjahr 2012
rezensionen.ch, 29. April 2012
NZZ am Sonntag – Bücher am Sonntag, 29. April 2012
L-MAG, Mai/Juni 2012escape, Ausgabe 4/2012
Der Landbote, 31. März 2012
Newsletter Elternbildung Nr. 19, März 2012
Der Freitag, 6. Mai 2012
QLT.DE / Kultblatt, 11. Mai 2012
St. Galler Tagblatt, 20. August 2012

Fama 1, Februar 2013
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. September 2017


«Und doch funktioniert es. Christina Caprez hat in einfühlsamen Porträts so ziemlich alle kombinatorischen Möglichkeiten der ‹sozialen Reproduktion› abgebildet: Nicht nur schwule Väter und lesbische Mütter mit ihren jeweiligen Kindern, sondern auch Kinder, die mit drei Vätern aufwachsen, Grossfamilien, die nicht miteinander verwandt sind, komplizierte Patchwork-Familien mit Kindern aus mehreren Beziehungen – alles gibt es. Und es funktioniert, wenn man die Bedingungen des Zusammenlebens achtet: Rücksicht und Zurücknahme, gegenseitiger Respekt. Alles andere ergibt sich, wenn man will.» Aargauer Zeitung

«Nach der Lektüre hat das Wort Familie nie mehr denselben Klang wie zuvor.» P.S.

«Die längeren Interviews mit dem Historiker Simon Teuscher, der Rechtsprofessorin Ingeborg Schwenzer und der Psychologin Heidi Simoni sind gelungene Ergänzungen zu den sehr konkreten und persönlichen Familiengeschichten. Der Blick wendet sich hier vom unmittelbaren Alltag ab und gewinnt an Tiefe.» WOZ

«‹Familienbande. 15 Porträts› ist eine anregende und immer wieder beglückende Lektüre. Christina Caprez beschreibt die besuchten Menschen und ihre Geschichten mit viel Wärme, aber ganz ohne Pathos. Es sind einfache, schnörkellose und gerade deshalb schöne Erzählungen.» WOZ

«Insgesamt 15 sympathische, amüsante, aber auch ergreifende Porträts geben einen Einblick in die Vielfalt des Familienlebens in der Schweiz, der auch für uns in Deutschland unterhaltsam und horizonterweiternd ist.» Siegessäule

«Wer die Begriffe Regenbogen- Wahl- Patchwork- oder Pflegefamilien mit Leben füllen möchte, sollte dieses Buch zur Hand nehmen.» Terre des Femmes Schweiz

«Um die Katze gleich vorweg aus dem Sack zu lassen: ‹Familienbande› ist ein bezauberndes Buch! Wunderbar erfrischend und unverkrampft porträtiert die DRS2Redaktorin und Moderatorin Christina Caprez gemeinsam mit der Fotografin Judith Schönenberger fünfzehn Familien, die etwas abseits vom herkömmlichen Familienmodell, welches zunehmend aus der Mode gerät, beziehungsweise zu einem Modell unter vielen geworden ist ihr Familienleben leben. Die Familienporträts und Gespräche mit und unter den Betroffenen regen dazu an, die eigenen Vorstellungen von Familie zu reflektieren: Viele der Geschichten stimmen nachdenklich, berühren, machen betroffen und glücklich. Vermutlich sind es genau diese (Familien)Bande, welche die Welt im innersten zusammen halten (oder auseinanderbrechen lassen).» rezensionen.ch

«‹Familienbande› ist ein bezauberndes Buch! Nicht nur die Eltern und Betreuungspersonen kommen zu Wort, sondern - und das ist es doch, was wirklich interessiert - auch die Kinder (die in der politischen Diskussion selten genug eine tragende Stimme erhalten) reden darüber, wie es sich anfühlt, wie es ist, in einer Familie aufzuwachsen, die heutzutage (noch) nicht ganz der Norm entspricht.» rezensionen.ch

«Christina Caprez interessiert sich vor allem für unkonventionelle Arrangements, ihren Alltag, ihre Licht- und Schattenseiten. So entstehen behutsame Nahaufnahmen von Adoptivfamilien, Alleinerziehenden, gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kind, häuslichen Vätern und Eltern mit Pflegekinderschar.» St. Galler Tagblatt