Die Italienerin
Sylviane Roche, Marie-Rose de Donno

Die Italienerin

Geschichte eines Lebens

Übersetzt von Peter Sidler

240 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
August 2000
vergriffen
Titel der Originalausgabe: L'Italienne
978-3-85791-349-5

Schlagworte

Literatur Italien
     

Die Verkäuferin Marie-Rose De Donno spricht die Schriftstellerin Sylviane Roche in einem Modegeschäft an: «Ich habe etwas zu erzählen, was eine Autorin interessieren könnte.» Sie verabreden sich. Marie-Rose beginnt, ihr Leben zu erzählen, aus den Erzählungen entstehen ein Buch und eine Freundschaft.

Das Leben der Marie-Rose De Donno ist mehr als «romanhaft»: Ihr Herkommen in Süditalien ist geprägt von Hunger, einem Alkoholiker-Vater und gesellschaftlicher Ächtung. Unter harten Bedingungen wächst sie an wechselnden Orten in Italien und der Schweiz auf. Ihre Ehe in Süditalien scheitert, und schliesslich verliert sie ihren 20-jährigen Sohn auf mysteriöse Weise.

Die Geschichte ihres Lebens ist ein aufwühlender Bericht einer Reihe von Schicksalsschlägen und gleichzeitig der Bericht einer Befreiung und Integration mit enormer Kraft und bewundernswertem Mut.

Sylviane Roche
© Limmat Verlag

Sylviane Roche

Sylviane Roche, geboren 1949 in Paris, unterrichtet Französisch und Geschichte in Nyon. Sie veröffentlichte Romane und Erzählungen und wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet.

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Marie-Rose de Donno
© Limmat Verlag

Marie-Rose de Donno

Marie-Rose De Donno, geboren 1950 in Apulien. Sie kommt als Kind in den fünfziger Jahren in die Schweiz, arbeitet heute als Modeverkäuferin und lebt in Lausanne.

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Peter Sidler

Peter Sidler

Peter Sidler, 1950–2004, Journalist, Redaktor bei einer Tageszeitung und einer Presseagentur, Redaktor an der Pressestelle von Schweizer Radio DRS. Hörspielübersetzungen. Seit 1995 freiberuflich als Übersetzer und Lektor tätig.

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Geboren werden

Ich heiße Marie-Rose, aber als ich klein war, nannten mich alle Rosetta. Ich wurde am 19. August 1950 in Süditalien geboren, in einer kleinen Stadt namens Maglie. Wir waren fünf Kinder. Ich bin das Jüngste. Offensichtlich wollte mich meine Mutter nicht! Sie hat alles versucht, um mich abzutreiben: Stricknadeln, Bäder in Salzwasser, sämtliche alten Tricks der Frauen. Sie hat alles getan, damit ich nicht geboren werde. Vergebens. Ich klammerte mich schon damals fest, siehst du. Hartnäckig. Nachher machte sie sich Vorwürfe, sie hatte grosse Angst, ich sei nicht normal wegen all dieser Dinge! Sie hatte Schuldgefühle, die Ärmste. Aber nein. Ich kam trotz allem zur Welt, und zwar völlig normal. Ich hoffe es wenigstens!

Nun, das ist also die Geschichte meiner Geburt. Du siehst, es fängt schon gut an.

Mein Vater war Bauer und Aufseher im Weinberg. Er hatte kein eigenes Land, wohlverstanden. Zur Zeit der Weinlese stellten die Besitzer bewaffnete Männer an, um die Erntearbeiter davon abzuhalten, sich zu bedienen. Mein Vater war einer dieser Aufseher. Er war ein grosser, hagerer, stark behaarter Mann. Oft trug er einen schwarzen Anzug mit einer Schirmmütze und ein Gewehr an der Schulter. Für mich ist er eine sehr wichtige Figur. Er bleibt mir in Erinnerung als einer, der Eindruck macht. Aber er küsste mich nie, er streichelte mich nie, und das fehlte mir.

Im Sommer also wohnten wir auf dem Land. Das war eine gute Zeit. Mein Vater pflanzte auch Tabak an, den meine Mutter und meine Geschwister zum Trocknen auffädelten. Im Sommer war das Leben einfach und glücklich. Es gab Gemüse, Früchte. Siehst du, das ist eine meiner besten Kindheitserinnerungen: nicht zu hungern.

Im September oder Oktober dagegen musste man in die Stadt zurückkehren, und dann verschlechterte sich die alles. Mein Vater hatte im Winter keinen Verdienst. Er fand keine Arbeit, und dazu vertrank er noch das wenige Geld, das wir hatten. Ich erinnere mich an die abendlichen Szenen zwischen meinen Eltern. Wir hatten keine Elektrizität, also legte man sich schlafen, sobald es dunkel wurde, um Petrol zu sparen. Meine Mutter strickte im Bett im Licht einer kleinen Lampe.

Und dann kam mein Vater nach Hause …

Neue Zürcher Zeitung, 19. September 2000
Neue Luzerner Zeitung, 26. September 2000


«Ein feinfühliger Bericht, der einem das Herz zerreisst.» France Loisir

«Es ist eine Geschichte wie viele andere Geschichten von Frauen ­ möglicherweise. Doch sie wirft ein Licht auf das, was Frauen aus dem Süden zu uns treibt. Auch wenn sie keine Heiligen sind, ist es gewiss eine Bereicherung, solche Menschen unter uns zu haben. Das Buch ist damit auch ein Beitrag zur Diskussion um die Beschränkung der Immigration ­ aus der Feder zweier Frauen.» Neue Luzerner Zeitung

«Marie-Rose De Donnos Geschichte haftet keine Larmoyanz an - eher hinterlässt sie Schrecken und ein ehrliches Staunen zugleich.» Neue Zürcher Zeitung

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