Alberto Nessi
Abendzug
Übersetzt von Regula Kühne
Januar 1991
978-3-85791-187-3
Beginnend in den vierziger Jahren, durchgeht der Erzähler seine Kindheit und Jugend, das Grenzgebiet zu Italien, aus dem das Kriegsecho zu hören ist, die Kleinstadt am See, wo die Bilder seiner jugendlichen Unruhe Gestalt annehmen. Bis hin zum Blick hinter die Wirklichkeit unserer Gegenwart.
In seiner Erzählung erkundet Alberto Nessi Raum und Zeit jener Orte, in denen er seit jeher lebt, auf der Suche nach sich selbst und denen, die ihm vorausgegangen sind.
Nessis Sprache zeichnet sich aus durch das Gleichgewicht zwischen seinem Stil und dem Erzählstoff, der in seiner eigenen Herkunft wurzelt. Er beschwört die Orte seiner Kindheit und Jugend herauf und erzählt von jenen Menschen, die selber nicht schreiben und nicht lesen, die am Rande sind, ohne sich dessen bewusst zu sein, und die keine Spuren hinterlassen, ausser in der Erinnerung derer, die mit ihnen gelebt und die sie gekannt haben. Geschichten aber auch, um den Tod auszutreiben, «die schwarze Schmeissfliege noch etwas fernzuhalten, bevor sie sich irgendwann auf unserem Gesicht niederlassen wird».
Alberto Nessi
Alberto Nessi, geboren 1940 in Mendrisio, studierte an der Universität Freiburg Literaturwissenschaft und Philosophie. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er unterrichtete italienische Literatur in Mendrisio, schrieb für Zeitungen und verfasste Hörspiele. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Schweizer Grand Prix Literatur für sein Lebenswerk. Alberto Nessi lebt in Bruzella.
Wie wird man Schriftsteller?
Ein biografischer Bericht von Alberto Nessi
Neue Zürcher Zeitung
Wenn die Sirene der Gemeinde heult ...
Wenn die Sirene der Gemeinde heult, fliegen die Jäger hoch über die Linden des Platzes hinweg und lassen sich manchmal im Sturzflug hinunterfallen und berühren dabei beinahe den Schnee, unter dem sich das weisse Kreuz im roten Feld verbirgt.
Sie nehmen es nicht so genau, die Jäger. Eines Nachmittags sind sie hinter dem Hügel von Quarcino aufgetaucht, haben eine Runde über den Dächern gedreht, und auf der Höhe der Pfarrkirche hat sich einer von ihnen aus der Staffel gelöst und den Güterbahnhof mit dem Maschinengewehr beschossen, vielleicht weil er davon überzeugt war, einen deutschen Waffentransport zu treffen, aber er hat einen Lokführer von hier getroffen, der beim Rangieren von der Salve dahingerafft wurde.
Der Alarm wurde ausgelöst, als die Flugzeuge bereits wegflogen. Der arme Bezzola blieb mit zerfetztem Rücken zwischen den Gleisen der «Parigina» liegen, ausgerechnet er, der die Befreier sehen wollte und sich aus dem Fenster des Führerstandes der Lokomotive gelehnt und hinausgerufen hatte:
«Die Amerikaner sind da, sie sind da!», und dem weissen Stern am Himmel zugewinkt hatte.
Neue Zürcher Zeitung, 19. Dezember 1991
Die Ostschweiz, 23. Dezember 1991
Der Bund, 01. Februar 1992
WOZ, 07. Februar 1992
Der Beobachter, 15. Mai 1992
Schweizer Familie, 15. Oktober 1992
«Nessi integriert seine subjektiven Erfahrungen in ein reiches Geflecht kollektiver Erinnerungen, in ein Puzzle von Erzählfragmenten, die das Leben einer Gemeinschaft spiegeln.» Neue Zürcher Zeitung
«Nessis ‹Abendzug› ist ein unaufdringliches Stück Schweizer Literatur und Schweizer Befindlichkeit aus einer Perspektive, die für uns Deutschschweizer doppelt reizvoll ist.» Die Ostschweiz
«Nessis schmale, durchgeformte und auf geheimnsivolle Weise gelassene Erzählung bringt Genaueres zur Sprache: An der Grenze wird ‹Identität› plötzlich sichtbar.» WOZ
«Schreiben als Akt gegen die Vergänglichkeit, eine wunderschöne Lekture.» Schweizer Familie
«Nessis Erzählung ist von einer seltenen sprachlichen Kraft.» Der Beobachter