Gottfried Semper
Ute Kröger

Gottfried Semper

Seine Zürcher Jahre 1855 –1871

202 Seiten, gebunden, 122 Fotos, Dokumente und Abbildungen
Dezember 2015
SFr. 38.–, 38.– €
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978-3-85791-767-7

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Gottfried Semper in Zürich

Erklärter Republikaner, Professor an der Dresdner Bauakademie in Diensten des Königs, Architekt der königlichen Repräsentationsbauten, die Dresden zum «Elbflorenz» wandelten, hatte er es im Mai 1849 nicht lassen können, den Aufständischen eine stabile Barrikade zu konstruieren. Steckbrieflich gesucht, auf der Flucht nach Paris und London und beinahe Amerika – die Koffer reisten bereits –, erreichte ihn schliesslich ein Ruf nach Zürich, eine Professur auf Lebenszeit mit Spitzengehalt. Sein Freund Richard Wagner hatte lebhaft für ihn geworben.
Hier lebte er sechzehn Jahre als alleinerziehender Vater von sechs Kindern, war der Star des neugegründeten Polytechnikums, quälte sich mit den jugendlichen Bauschülern, baute unter anderem das Hauptgebäude der ETH sowie das Stadthaus von Winterthur, verfasste sein Hauptwerk, den «Stil». Er war gern gesehener Gast in manchem Salon und prominentes Mitglied der deutschen Kolonie, mit der er 1871 die Gründung des deutschen Kaiserreiches feierte.
Das Buch von Ute Kröger beleuchtet die wichtigsten Aspekte seiner Zürcher Jahre und bringt viele Briefe und Originaldokumente aus den Archiven der ETH, von denen die meisten zum ersten Mal veröffentlicht werden.

Ute Kröger

Ute Kröger, Studium der Germanistik, Philosophie, Geschichte, Doktorat. Lehrtätigkeit an Gymnasien und in der Erwachsenenbildung, wissenschaftliche und publizistische Arbeiten. Lebt als freie Publizistin in Kilchberg ZH.

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Inhalt
6 Ein berühmter Unbekannter
9 Berufung
Verheissung oder Enttäuschung?
29 Professor der Baukunst
Glanz und Elend am Polytechnikum
49 Baukünstler
Zu wenige repräsentative Bauaufträge – viele Verwundungen
95 «Hofrath» der Zürcher Gesellschaft
Mitten in der Gesellschaft – mitten in Zürich
127 «Ein etwas anrüchiger Royalist»
Ohne politischen Standpunkt – aber vereinnahmt
151 «Lieber Papa»
Besorgter Vater und Übervater

Ein berühmter Unbekannter

«Welch ein abentheuerliches Leben! Es kann ein guter Roman daraus werden», schrieb Gottfried Semper 1850 an seinen Bruder Carl.

Einen Roman bekommt der Leser hier zwar nicht geboten, auch keine Biografie, vielmehr eine «Lebensabschnittserzählung», ein Kapitel aus dem Leben eines herausragenden Menschen, der nicht nur als Architekt eine Jahrhundertfigur war. Hier geht es um jene Jahre Sempers, die für ihn persönlich und beruflich entscheidend waren und die für ihn die längste Zeit bedeuteten – sechzehn Jahre –, die er an einem Ort verbrachte. Vielleicht wird diese biografische Skizze, die den bisher unbekannten privaten Semper porträtiert, zu einem Grundstein für eine umfassende Biografie, die erstaunlicherweise bis heute fehlt.

Als er 1855 nach Zürich kam, war er zweiundfünfzig Jahre alt, achtundsechzig, als er 1871 ging. In dieser recht späten Lebensphase startete er beruflich neu, sowohl als Lehrer an einer ambitionierten jungen Hochschule, der er als Starprofessor Glanz verlieh, wie auch als renommierter Architekt. Historisch, politisch gesehen waren es aufregende Jahre, Jahre des Umbruchs. Europäische Krisen, ja Kriege, die mit der Gründung des Deutschen Reiches endeten, beeinflussten sein Leben unmittelbar.

Er lebte und arbeitete in einem Gemeinwesen, dessen innere Organisation ihm fremd war. Obwohl endlich nicht mehr Exilant, sondern Bürger eines freien Landes, fühlte er sich nicht diesem zugehörig, sondern schloss sich seinen hier lebenden Landsleuten aus der deutschen Kolonie an. Parteipolitik ging an ihm vorbei. Das erleichterte später seine ideologische Einordnung als Revolutionär, als Demokrat oder auch als Rechtskonservativer.

Gleich zu Beginn seiner Zürcher Zeit starb seine Frau. Er übernahm als alleinerziehender Vater die Verantwortung für seine heranwachsenden sechs Kinder – für Männer zu jener Zeit keine Selbstverständlichkeit.

Dass dieses Buch in Zürich geschrieben wurde, liegt nahe, denn der Nachlass Gottfried Sempers befindet sich hier am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich. Allein die Korrespondenz, ein Schatz, der zu heben wäre, umfasst mehrere Tausend Briefe von und an Semper sowie Briefe Dritter. Ich habe mich auf die private Korrespondenz der Jahre 1855 bis 1871 beschränkt, musste aber auch aus diesem immer noch riesigen Bestand auswählen. Ich folgte dabei Aspekten, die sich aus der inhaltlichen Struktur ergaben, und orientierte mich an entscheidenden

Daten und Ereignissen sowie an wichtigen Personen aus Sempers privatem und beruflichem Beziehungsnetz, einem Netzwerk, das über Zürich weit hinausgeht, sodass wieder einmal beispielhaft die Bedeutung Zürichs um die Mitte des 19. Jahrhunderts als kultureller, politischer und geistesgeschichtlicher europäischer Knotenpunkt auffällt.

Der Anhang verzeichnet alle Materialien sowie die entsprechenden Archive und ist vielleicht Semperforschern hilfreich. Eine Auswahl von meist gekürzten Dokumenten erlaubt nach jedem Kapitel Einblicke in Nebenaspekte, die vom Thema weggeführt hätten, an dieser Stelle aber im Originalton den jeweiligen Hintergrund etwas genauer illustrieren können.

Aus Gründen der Lesbarkeit sind Zitate behutsam an die heute übliche Schreibweise angepasst, ohne in den charakteristischen Duktus des Schreibenden einzugreifen. In Anführungszeichen gesetzt sind ausschliesslich Zitate aus den Materialien, die allesamt im Anhang zu finden sind. Auf Zitierweise nach wissenschaftlicher Manier habe ich verzichtet, weil dies keine fachwissenschaftliche Arbeit für Experten sein sollte, sondern eine Erzählung für Neugierige.

P.S. Zeitung, 18. Dezember 2015
Basler Zeitung, 31. Dezember 2015
Tages-Anzeiger, 26. Juli 2016

 


«Ute Kröger hat gewissenhaft und in vernünftiger Portionierung alles zusammengetragen, was sich über Sempers Zürcher Jahre in Erfahrung bringen liess.» Basler Zeitung

«Ein lesenswertes Buch. Ute Kröger korrigiert Sempers einseitige Selbsteinschätzung mit dem Hinweis, dass ‹der Bau des Polytechnikums neben dem Bundeshaus in Bern der repräsentativste Bauauftrag war, den der junge Bundesstaat zu vergeben hatte›.»  Tages-Anzeiger