Theo Frey
Theo Frey, Fotografien
Mit Texten von Theo Frey, Martin Gasser, Klaus Merz, Sabine Münzenmaier, Peter Pfrunder / Herausgegeben von Peter Pfrunder / Herausgeber Fotostiftung Schweiz
1., Aufl., Februar 2008
978-3-85791-553-6
Theo Frey (1908–1997) wird oft in einem Atemzug mit den Klassikern der Schweizer Reportagefotografie – Hans Staub, Gotthard Schuh, Paul Senn – genannt. Sein Gesamtwerk ist jedoch weniger bekannt als die Werke dieser ersten, etwas älteren Generation von Fotoreportern. Das liegt einerseits daran, dass es bis heute nur unzureichend erschlossen und zugänglich war. Anderseits hängt es wohl auch mit Freys unprätentiösem Stil zusammen: Seine sorgfältig aufgebauten, sachlich gehaltenen Reportagen leben weniger von flüchtigen und dramatischen Momentaufnahmen als vom scharfen Blick für das Unscheinbare – für den Alltag, der die Menschen prägt. Theo Frey bringt in seinen Fotografien soziales Engagement und eine tiefe Sympathie für die Lebenswelten der kleinen Leute zum Ausdruck. Mit seinem streng dokumentarischen Ansatz gelingen ihm während seiner ganzen Laufbahn immer wieder einprägsame Bilder, die heute einen festen Platz im visuellen Gedächtnis der Schweiz einnehmen.
© Limmat Verlag
Theo Frey
Theo Frey, 1908 in Hochdorf geboren, Studium als Maschineningenieur, Radiotechniker und -händler, autodidaktisches Studium der Fotografie, Projekt «Zwölf Gemeinden» für die Landesausstellung 1939, Fotoreporter im Dienst der Armee und von Hilfswerken wie Schweizer Berghilfe, Pro Juventute, Schweizerisches Rotes Kreuz sowie Reportagen für diverse Zeitschriften und Zeitungen. 1997 in Weiningen gestorben.Klaus Merz
Lebt als freier Schriftsteller in Unterkulm. Er wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Gottfried Keller- und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Zuletzt erschienen seine Werkausgabe in 7 Bänden und die Gedichtbände «Helios Transport» und «firma».
Peter Pfrunder
Peter Pfrunder, geboren 1959 in Singapur, aufgewachsen in der Schweiz. Studierte Germanistik, Europäische Volksliteratur und englische Literatur in Zürich, Montpellier und Berlin. 1995 bis 1998 Co-Leiter des Forums der Schweizer Geschichte / Schweizerisches Landesmuseum, Schwyz. Von 1998 bis 2024 Direktor und Kurator der Fotostiftung Schweiz in Winterthur. Lebt in Zug. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausstellungen zur Schweizer Fotografie, u. a. «Theo Frey, Fotografien», «Gotthard Schuh – Eine Art Verliebtheit», «Schweizer Fotobücher 1927 bis heute – Eine andere Geschichte der Fotografie».Fotostiftung Schweiz
Die 1971 gegründete Fotostiftung Schweiz ist ein Ort für die Erhaltung, Erforschung und Vermittlung des fotografischen Kulturguts (www.fotostiftung.ch). Neben einer Sammlung von über 50000 Originalabzügen betreut sie die Archive und Nachlässe oder Teilnachlässe von mehr als fünfzig Fotografinnen und Fotografen. Die Fotostiftung Schweiz nimmt, zusammen mit ProLitteris, häufig auch die Urheberrechte wahr. Die aufgenommenen Archive umfassen hunderte bis hunderttausende von Bildeinheiten; sie bestehen aus Negativarchiven, Originalabzügen, Kontaktkopien, Diapositiven, elektronischen Bilddateien, Publikationsbelegen und schriftlichen Dokumenten.Vorwort
DER DOKUMENTARISCHE STIL Peter Pfrunder
ALLTAG IN DER STADT Peter Pfrunder
SCHÄTZE IM KEHRICHT Theo Frey
ZWÖLF GEMEINDEN Martin Gasser
VISPERTERMINEN – EINST UND HEUTE Theo Frey
ARMEEREPORTER Peter Pfrunder
ZAUNGAST AM RÜTLIRAPPORT Theo Frey
AUF DEM LAND Sabine Münzenmaier
WOHNKULTUR UND VOLLBESCHÄFTIGUNG
ABSEITS DER HOCHKONJUNKTUR Theo Frey
BEHUTSAME NÄHE Klaus Merz
THEO FREY – AM RAND UND MITTENDRIN Sabine Münzenmaier
Lebensdaten
Bibliografie
Ausstellungen
VORWORT
«Was ist nun das Wertvollste an meinen Arbeiten?»Theo Frey sah sich selbst als Reporter, und so wurde er auch von seinem Umfeld wahrgenommen. Als er 1989 im Buch Rückblende. Fünfzig Jahre Bildberichte eine persönliche Bilanz zog, stellte er sein Schaffen vor allem in einen fotojournalistischen Zusammenhang. Er vermittelte das Bild eines Fotografen, der in erster Linie zeitgeschichtliche Dokumente produzierte und die Gestaltung als Nebensache betrachtete. Aber stimmt diese Selbstdarstellung auch mit den Erkenntnissen überein, die man durch eine unvoreingenommene Sichtung und Erforschung seines Archivs gewinnt?
Schon in Theo Freys eigenen Aussagen schimmert eine Haltung durch, bei der auch ästhetische Fragen eine Rolle spielten: «Zeit meines Lebens hatte ich die grösste Mühe, meine Eindrücke rasch zu ordnen, einen Vorgang auf seine wesentliche Elemente zu reduzieren und den Sachverhalt knapp und klar zu schildern.» Das langsame und sorgfältige Fotografieren, die ruhige und konzentrierte Betrachtung der Welt interessierten ihn im Grunde mehr als das dynamische, journalistische Erfassen von Ereignissen. Frey hätte sein Schaffen nie als Kunst bezeichnet. Aber er wusste sehr wohl, dass seine «Dokumente» erst durch prägnante Gestaltung ihre Kraft und Bedeutung gewannen. «Zwar war ich immer in erster Linie ein Dokumentarist, aber einer, der sich, wo immer es möglich war, der Sache auch von der ästhetischen Seite näherte», schrieb er in einem Ausstellungskonzept. Die Spannung zwischen reiner Dokumentation und ästhetischen Ansprüchen spiegelt sich noch in einem anderen Satz: «Ich wollte zwar ein guter Photograph sein, aber bis heute bin ich mit mir im Widerstreit.Was ist nun das Wertvollste an meinen Arbeiten? Ich habe herausgefunden, dass einfachste, trivialste Sachen plötzlich einen grossen Wert bekommen ...»
Wer so fotografiert, wie es Theo Frey tat, hat eine deutliche Vorstellung davon, wie er die Welt ins Bild rücken will. Davon zeugen unzählige Kartonbögen, auf denen er Kontaktkopien seiner Aufnahmen aufklebte. Gewiss, diese Kontaktbögen waren zunächst nichts anderes als ein archivalisches Hilfsmittel, teilweise unter Mitarbeit von Theos Frau Alice hergestellt; sie erlaubten es, den Überblick über ein grosses Archiv zu bewahren. Doch die meisten dieser Kontaktbögen sind auch präzis geordnete Darstellungen von Handlungsabläufen oder facettenreiche Erkundungen eines Themas. In ihrer Authentizität geben sie tiefen Einblick in Theo Freys Weltsicht und seine gestalterische Kompetenz. Aus diesem Grund werden sie nicht nur als illustratives Beiwerk in den vorliegenden Band integriert. Vielmehr bilden sie ein tragendes Fundament und eine Orientierungshilfe, so dass die als Einzelbilder gewürdigten Fotografien in ihren Kontext eingebunden bleiben.Wie sensibel Theo Frey seine Werke komponierte, kommt vielleicht in seinen Stillleben und Interieurs am schönsten zum Ausdruck: gerade in diesen spröden, «unjournalistischen» Bildern fand er immer wieder die richtige Balance zwischen Form und Inhalt.
Dass Theo Freys Werk zu den bedeutendsten der Schweizer Fotografie im 20. Jahrhundert gehört, haben zuletzt die Publikationen von Markus Britschgi (1993 und 1996) deutlich gemacht. Und doch ist Freys Schaffen bis heute erstaunlich unbekannt geblieben. Das hängt unter anderem mit der Geschichte seines Archivs zusammen. In den späten Achtzigerjahren hatte der Volkskunde-Professor Paul Hugger gemeinsam mit dem Fotografen dafür gesorgt, dass dessen Negativ-Archiv vom Bundesamt für Kultur erworben wurde. Es gelangte zunächst ins Eidgenössische Archiv für Denkmalpflege in Bern – und damit auch ein wenig ins fotografische Abseits. Erst im Jahr 2005 wurde das Bundesamt für Kultur selbst wieder aktiv und ermöglichte eine Umplatzierung in die Fotostiftung Schweiz in Winterthur. Gleichzeitig übergaben die Erben von Theo Frey der Fotostiftung Schweiz weitere wichtige Materialien und Fotografien aus seinem Nachlass. Bald darauf wurde mit Unterstützung des Bundes ein Projekt zur Aufarbeitung des Gesamtwerks gestartet: In rund einjähriger Sichtungs- und Forschungsarbeit konnte Sabine Münzenmaier die verschiedenen Teile des Theo-Frey-Archivs – u.a. rund 100000 Negative, 3500 Kontaktbögen, 21 Belegbücher mit eingeklebten Reportagen, tausende von Arbeitsprints und hunderte von Werken in Ausstellungsqualität – umfassend erschliessen und miteinander vernetzen. Diese Basisarbeit ermöglichte es auch, viele unbekannte Fotografien von Theo Frey ans Licht zu holen und eine Auswahl zu treffen, in welcher die Eigenständigkeit von Freys Bildsprache zum Ausdruck kommt. Dank den Recherchen von Katri Burri gelang es ferner, die (fast) abgerissene Verbindung zwischen dem Theo-Frey-Archiv und den im Bundesarchiv in Bern aufbewahrten Theo-Frey-Bildern wieder herzustellen: wichtige Fotografien, die Frey im Auftrag der Armee zwischen 1939 und 1945 machte, lassen sich so erstmals im Zusammenhang seines Gesamtwerks präsentieren.
Am 14. Februar 2008 wäre Theo Frey 100 Jahre alt geworden. Das Jubiläum gibt Anlass, Freys Werk und seine besonderen Qualitäten neu zu entdecken.
«Wer die wahre Schweiz kennenlernen und die innerste Schweiz verstehen will, der schaue sich die Fotos in diesem fabelhaft edierten Bildband an. Theo Frey (1908–1997) hat sie gemacht, einer der grossen Fotoreporter Europas, dessen Werk in diesen Tagen wiederentdeckt wird. Er zeigt uns eine arme, harte Schweiz in Bildern, die in ihrer poetischen Ehrlichkeit an Walker Evans erinnern. Frey ist ein Alltagsdokumentar von grandioser Nüchternheit. Und zugleich ein stiller Beobachter in Stunden der wahren Empfindung.» Die Zeit
«Eine überfällige Wiederentdeckung.» NZZ am Sonntag
«Augenzeug der Nebenumstände: Von den Aussenposten unserer helvetischen Zivilisation bringt Theo Frey ergreifende Berichte mit.» NZZ am Sonntag
«Zum Glücksfall dieser Schau gehört das im Limmat Verlag erschienene Katalogbuch. Hier sind zahlreiche weitere Bilder zu sehen, ausserdem ordnen mehrere Essays das Werk von Theo Frey in die Fotogeschichte ein. Dabei zeigen frappierende Bildvergleiche, dass das bislang wenig bekannte Werk des Schweizer selbst einem modernen Klassiker wie Walker Evans standhalten kann» Süddeutsche Zeitung
«Das Schattendasein, das Theo Frey lange genug neben berühmteren Berufskollegen wie Hans Staub, Paul Senn und Gotthard Schuh fristen musste, dürfte damit hoffentlich ein Ende haben.» Tages-Anzeiger
«Eine Reise in das Innerste der Schweiz, die Entdeckung eines grossen Fotoreporters der Kriegs- und Nachkriegszeit.» Die Zeit
«Das Klimbim des technischen Fortschritts, die Vorhut der neu entstehenden Konsumgesellschaft liessen Frey zeitlebens kalt. Stattdessen galt seine Sympathie den gesellschaftlichen Aussenseitern ... Frey, dessen Vater früh verstarb und die Familie mitellos zurückliess, hatte die Mechanistmen sozialer Ungerechtigkeit am eigenen Leib erfahren. Davon tief geprägt, nahm er die Schicksale jener, die, wie er es nannte, an den ‹Aussenposten der Zivilisation› lebten, sensibel wahr. Wenn er sein Objektiv auf sie richtete, so tat er dies mit Respekt und Loyalität, frei von sentimentalem Pathos; die dargestellten personen für sentimentale Effekthascherei zu missbrauchen, lag ihm fern.» Tages-Anzeiger
«Rund 100'000 Negative umfasst sein fotografischer Nachlass. An die 1'200 Reportagen hat er zwischen 1934/35 und den Achzigerjahrien in mehreren Dutzend Schweizer Zeitungen und Zeitschriften publiziert. ‹Ich habe nie für die Ewigkeit gearbeitet. Aber auch das journalistische Tagesgeschäft hat mir nicht behagt. Deshalb bin ich nur Themen nachgegangen, die ich reifen lassen konnte›, blickte Frey 1996 un UBtervuew nut dueser Teutzbg azf seub Kebebm sein Lebenswerk zurück.» Sonntag
«Wie Aufzeichnungen belegen, setzte sich Theo Frey bis zuletzt intensiv mit seinem Handwerk auseinander. ‹Ich wollte zwar immer ein guter Fotograf sein, aber bis heute bin ich mit mir im Widerstreit. Was ist nun das Wertvollste an meinen Arbeiten? Ich habe herausgefunden, dass einfachste triviale Sachen plötzlich einen grossen Wert bekommen›, schrieb er. Und schuf mit dieser Erkenntnis ein einzigartiges Werk.» Der Bund
«Mit einer unprätentiösen Optik berichtet Theo Frey in seinen Bildern von den grossen und kleinen Ereignissen, von den Lebensumständen der einfachen Leute und vom Wandel der Zeit. Nicht spektakulär und ästhetisiert sind diese Menschen abgebildet, sondern mit einer sensiblen Anteilnahme an scheinbar Unscheinbarem, an Übersehenen. Theo Frey hat ihnen in seinen Bildern Aufmerksamkeit gegeben – nicht selten mit Sinn für die Komik des Momentes. In seiner sorgsamen und würdevollen Art hat er mit dem Mittel der Bildreportage die Gestimmtheit der Welt um ihn herum erfasst.» St. Galler Tagblatt
«Echt und ehrlich: Theo Frey zeigt die Schweiz ungeschminkt, arm, hart und zuweilen hässlich, weit weg von Idylle und alpiner Romantik. Dieser grossartige Bildband zeigt das Werk des Schweizer Fotografen, der mit Würde und Respekt sein Objektiv auf Bauern, Handwerker, Arbeitslose und gesellschaftliche Aussenseiter richtet. Der stille und scharfe Beobachter dokumentiert unscheinbare Momente und Details. Freys Fotografien sind ästhetische, sorgfältige und ruhige Dokumente Schweizer Geschichte.» DigitalPHOTO
Bilder aus diesem Buch sind auch als Postkarten erschienen.