Lautmalerei und Wortbilder II
Mariantonia Reinhard-Felice (Hg.)

Lautmalerei und Wortbilder II

Autoren schreiben über Kunstwerke aus dem Römerholz

Mit Texten von Zsuzsanna Gahse, Felix Philipp Ingold, Klaus Merz, Michel Mettler, Sabina Naef, Erica Pedretti, Gerhard Roth, Said, Ingo Schulze, Matthias Zschokke / Mit einem Nachwort von Hardy Ruoss / Herausgegeben von Sammlung Oskar Reinhart "Am Römerholz", Winterthur

194 Seiten, 21 Abb., Broschur mit Schutzumschlag, 21 vierfarbige Abbildungen auf 9 Ausklapptafeln
1., Aufl., August 2010
SFr. 44.–, 44.– €
vergriffen
978-3-85791-606-9
     

Auf die schlafende Schöne in einer Hängematte treffen sie, auf einen dem Wahnsinn nahen Dichter, auf Naturgewalten, auf den Gekreuzigten und einen Korb Pfirsiche. Sie knüpfen schwindelerregende Assoziationsketten, ziehen scharfsinnige ästhetische Vergleiche, eröffnen Räume für persönliche Begebenheiten und spüren unergründlichen Sehnsüchten nach – Zwiesprache wird gehalten allenthalben. Im zweiten Band der Veranstaltungs- und Publikationsreihe 'Lautmalerei und Wortbilder' haben sich erneut Schriftstellerinnen und Schriftsteller den Bildwelten der Sammlung Oskar Reinhart 'Am Römerholz' ausgesetzt, haben das Wort ergriffen, um dem Bild ihrer Wahl einen literarischen Text zuzueignen. Herausgekommen ist abermals eine feinsinnige Sammlung essayistischer Preziosen, die in einem bibliophil gestalteten Buch ein Liebhabermuseum en miniature eröffnet.

Mariantonia Reinhard-Felice

Mariantonia Reinhard-Felice

Die Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» in Winterthur gehört zu den bedeutendsten Privatsammlungen des 20. Jahrhunderts. Mit hohem ästhetischem Qualitätsanspruch sammelte Oskar Reinhart (1885–1965), der Spross einer Winterthurer Handelsdynastie, Meisterwerke der europäischen Kunst vom 14. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Er legte dabei den Akzent auf die französische Kunst des 19. Jahrhunderts, insbesondere aber auf den Impressionismus. Diesen Sammelschwerpunkt ergänzte er durch einzelne Beispiele älterer Malerei. Sein Wohnhaus und die angebaute Gemäldegalerie mitsamt den Beständen, die heutige Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», vermachte er der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

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Zsuzsanna Gahse

Zsuzsanna Gahse

Zsuzsanna Gahse kam 1946 in Budapest zur Welt und lebt in Müllheim. Sie erhielt 2019 den Grand Prix Literatur des Bundesamtes für Kultur.

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Felix Philipp Ingold
© Yvonne Böhler

Felix Philipp Ingold

Felix Philipp Ingold, geboren 1942 in Basel, ist ein Schweizer Slawist, Kulturpublizist, Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber sowie emeritierter Ordinarius für die Kultur- und Sozialgeschichte Russlands an der Universität St. Gallen. Neben seinem eigenem grossen literarischen Werk (Romane, Gedichte, Erzählungen) hat er schon mehrfach Lyrik aus dem Französischen übersetzt (Edmond Jabès, René Char, Benjamin Fondane, Paul Eluard, Guillaume Apollinaire u. a. m.).

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Klaus Merz

Klaus Merz

Lebt als freier Schriftsteller in Unterkulm. Er wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Gottfried Keller- und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Zuletzt erschienen seine Werkausgabe in 7 Bänden und die Gedichtbände «Helios Transport» und «firma».

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Mariantonia Reinhard-Felice: Der andere Blick

Erica Pedretti: Was heisst überleben?
[Lukas Cranach d Ä: Ehediptychon des Dr Johannes Cuspinian und der Anna Cuspinian-Putsch]
Sabina Naef: Pour les choses qui n’ont pas de mots, le regard suffit
[Lukas Cranach d Ä:  Ehediptychon des Dr Johannes Cuspinian und der Anna Cuspinian-Putsch]
Said: ich jesus von nazareth
[Jan Provost: Die Auferstehung Christi]
Zsuzsanna Gahse: Unter den Früchten
[Jean-Siméon Chardin: Stillleben mit einem Korb Pfirsiche, weissen Trauben, Birne und Nüssen]
Ingo Schulze: Ein Tag in der Schweiz Auszüge aus einem Notizbuch
[Eugène Delacroix: Tasso im Irrenhaus]
Matthias Zschokke: Ich schlafe, ich schlafe
[Gustave Courbet: Die Hängematte]
Klaus Merz: Seh-Rausch
[Gustave Courbet: Die Woge]
Felix Philipp Ingold: Eisgang
[Claude Monet: Die Seine bei Eisgang]
Michel Mettler: Die Blaue Galeere
[Vincent van Gogh: Der Krankensaal des Hospitals von Arles]
Gerhard Roth: Gedanken zu Vincent van Gogh Der Innenhof des Hospitals von Arles, Arles 1889
[Vincent van Gogh: Der Innenhof des Hospitals von Arles]

Hardy Ruoss: Malerei und Poesie – vom Paar zur Partnerschaft

Aus: Mariantonia Reinhard-Felice: Der andere Blick

(...)

Indem sich unsere Autoren und Autorinnen auf diese Weise nicht wie der Kunstwissenschaftler dem Bild unterordnen, sondern des Bildes bedienen, verwandeln sie es zum eigenen Werk. Ein solches Sprach-Kunstwerk wäre sicherlich auch dazu berechtigt, den Ausgangsgegenstand derart zu verklären, dass er ‹im Wort› nicht wiederzuerkennen ist. Allen sehr persönlichen Interpretationen zum Trotz sind sämtliche Autoren schlussendlich jedoch ganz nah am bildnerischen Werk geblieben, was für uns einmal mehr für die Unausweichlichkeit seiner auch noch so vielschichtigen inneren Gesetzlichkeit spricht.

Beide Anschauungen, die kunsthistorische wie die dichterische, sind also interpretatorische Schlüssel zum Kunstwerk und distanzieren sich zugleich von ihm. Beide verfolgen in ihrer Weise den Traum der ‹Offenbarung› des Kunstwerks und möchten vom Dargestellten zu dem, was nicht dargestellt ist, zu den offenen Potentialen des Werkes gelangen. Die eine setzt sich dabei Grenzen, die die andere weiträumig überschreitet, so dass sich die beiden in ihrer Unterschiedenheit wunderbar ergänzen.

Die Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» in ihrer Mischung aus Museum und Privatsammlung bietet einem solchen Weiterdenken und Weiterschreiben einen idealen Rahmen: Wie später auch André Malraux mit seinem «Musée imaginaire» wollte Oskar Reinhart in seiner Galerie Kunstwerke aller Zeiten frei von ihrer ursprünglichen Bestimmung vereinen, um allein das Künstlerische hervorzuheben und zu inszenieren. In diesem ahistorischen Zusammenhang ist der Betrachter aufgefordert, eine sein kleines oder grosses Wissen überwindende Beziehung zu den Werken zu entwickeln. Indem unsere Autoren das jeweilige Werk aus seinem Rahmen lösen, es in seine unmittelbare Umgebung, in sich selbst und in die Welt hinaustragen, ermutigen sie den Betrachter, sich dieser Herausforderung zu stellen. Dies um so mehr, als die immanente Freiheit der Wortbilder, die aus der Subjektivität der Autoren erwächst, ihre produktiven Interpretationen nicht als absolute geltend macht. Vielmehr werden bei den Hörern und Lesern der Dichterbilder vermutlich Tausende andere Wortbilder wachgerufen. Diese Korrespondenz zwischen Sammlungskonzept und dichterischen Werken rechtfertigt also, die Sammlung auch über den Weg unserer Literaturabende zu vermitteln. Nicht im kämpferisch konkurrierenden Wettkampf, aber in der nach allen Seiten des menschlichen Lebens offenen Sichtweise tragen Kunstwissenschaft und Dichtung zur Erfahrungs- und Ideenwelt unserer Besucher, Bildbetrachter wie Worthörer, bei und geben ihr Impulse.

Im Vergleich zum ersten Band unserer Reihe «Lautmalerei und Wortbilder» präsentieren wir in diesem zweiten Band der Reihe nicht nur Schweizer, sondern auch deutsche und österreichische Literaten, darunter auch einzelne, die sich einer solchen Aufgabe bereits in anderem Zusammenhang gestellt hatten. Wie im ersten Band gehören auch hier die Autorinnen und Autoren verschiedenen Generationen an und weisen unterschiedliche Stilrichtungen auf. Wir danken Ihnen allen von Herzen, unserer Einladung gefolgt zu sein, diesen Sprung aus dem Gewohnten zu wagen, und ihn mit Überzeugung und vollem Einsatz in die uns alle bereichernde vorliegende Form gebracht zu haben.
Süddeutsche Zeitung, 26. Januar 2011

«Während Schulze sein ‹Thema› des verdeckten ursprünglichen Menschen also in den kurvenreichen Weiten seines Erzählmantels versteckt, geht Michel Mettler vor verwandtem Objekt (Van Gogh: ‹Der Krankensaal des Hospitals von Arles›) temporeich darauf zu. Schon mit dem ersten Satz von ‹Die blaue Galeere› beginnt die furiose Schraubbewegung: ‹Dass wir nicht entkommen können, ausser in einen nächstkleineren Raum, davon haben wir auszugehen.› Chardins Welt war das vorrevolutionäre Paris, das er, 1699 geboren, bis zu seinem Tod im Jahre 1779 kaum verliess. Trotzdem erreicht sein ‹Stillleben mit einem Korb Pfirsiche, weissen Trauben, Birne und Nüssen›, das sich Zsuzsanna Gahse für ihre angenehm frische, kleine Meditation ausgesucht hat, eine unglaubliche Intensität. Gahse kommt dem Gemälde sehr nahe. ‹Jetzt muss man sich die dunkelrotdunklen Pfirsiche vorstellen.› Das ist eine kleine stilistische Freiheit, die vor abgegriffenen Adjektiven schützt. Auch hier genügt ein origineller erster Satz (‹Einen Pfirsich haben wollen, das ist der Ausgangspunkt›), um eine ungewöhnliche Annäherung an das ‹heilige› Sujet Stillleben zu eröffnen.» Süddeutsche Zeitung

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