Dieter Bachmann (Hg.)
Im ganzen Land schön
Die Schweiz mit der Tageskarte
Mit Texten von Peter Höner, Jochen Jung, Mascha Kurtz, Guido Magnaguagno, Klaus Merz, Sibylle Mulot, Manfred Papst, Isolde Schaad, Bruno Steiger, Balz Theus, Peter Weber, Peter K. Wehrli, Daniel Zahno, Christoph Kuhn
1., Aufl., Mai 2006
978-3-85791-499-7
Jeden schönen Tag sind Tausende unterwegs: Sie lösen mit ihrem Halbtaxabo eine Tageskarte und sind dann von früh morgens bis zur späten Heimkehr auf Achse. Sie verwandeln die Schweiz in Bahnkilometer, loten sie aus nach den schönsten Zügen, den längsten Strecken, auf Aussichten und Entdeckungen scharf, auf ihr ganz besonderes Erlebnis der Schweiz. Vor dem Zugfenster lassen sie ihr Land antreten, stolz, gerührt oder gleichmütig, laute Gruppen, die morgens um Zehn den ersten Dézaley zischen, in sich gekehrte Einzelgänger, das faltige Rucksäcklein auf den Knien, den Blick aus dem Fenster.
Die Eintagesschweizumreisungen, nur in diesem kleinen Land überhaupt möglich, sind auch ein kulturpolitisches Phänomen: Vielleicht ist hier mehr 'Austausch der Landesteile' als in manchem künstlerischen Förderprogramm. Dieter Bachmann hat eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen gebeten, in erzählerischer oder essayistischer Form von ihren Ganztages-Halbtax-Erfahrungen zu berichten.
Dieter Bachmann
Dieter Bachmann, geboren 1940 in Basel, 1988–1998 Chefredaktor der Zeitschrift «du», Autor der Romane «Rab», «Der kürzere Atem» und «Grimsels Zeit». Publizist und Herausgeber zahlreicher Sachbücher. Im Limmat Verlag erschienen zuletzt der Fotoband «Aufbruch in die Gegenwart. Die Schweiz in Fotografien 1840–1960», der erzählende Essay «Unter Tieren» sowie der Roman «Die Gärten der Medusa».© Anne Buergisser
Peter Höner
Peter Höner, geboren 1947 in Eupen, aufgewachsen in Belgien und der Schweiz, Schauspielstudium in Hamburg und Schauspieler u. a. in Basel, Bremen und Berlin. Seit 1981 freischaffender Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, 1986–1990 Afrikaaufenthalt. Autor von Theaterstücken, Hörspielen und Büchern.Klaus Merz
Lebt als freier Schriftsteller in Unterkulm. Er wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Gottfried Keller- und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Zuletzt erschienen seine Werkausgabe in 7 Bänden und die Gedichtbände «Helios Transport» und «firma».
Isolde Schaad
Isolde Schaad, geboren 1944 in Schaffhausen, lebt seit 1967 in Zürich und gehört zu den namhaften Schweizer Autorinnen der 68er Generation. Ihre Spezialität ist die kritische Gesellschaftsbetrachtung, die sie mit Scharfsinn, Humor und hohem sprachlichen Können der nahen und fernen Umgebung widmet. Schon ihre Buchtitel zeugen davon: «Knowhow am Kilimandscharo», erschien 1984 und wurde vom heissen Eisen zum Ethnoklassiker. 1986 folgte die «Zürcher Constipation», 1989 «KüsschenTschüss», die beide zu helvetischen Bestsellern wurden. «Body & Sofa», die Erzählungen aus der Kaufkraftklasse, 1994, «Mein Text so blau» 1997, dann der Roman «Keiner wars» 2001, der den Schillerpreis der ZKB erhielt, sowie die Porträtsammlung «Vom Einen. Literatur und Geschlecht», 2004. Es folgten der Roman «Robinson & Julia», 2010, dann die Erzählungsbände «Am Äquator», 2014, sowie « Giacometti hinkt», 2019, von der Presse mit grosser Anerkennung bedacht. 2023 erschien «Das Schweigen der Agenda. Geschichten vom Innehalten und Aufhören – Im Auge des Grossen Duden, neudeutscheste Fassung».
Isolde Schaad hat neben ihrer schriftstellerischen Arbeit stets auch publizistisch gearbeitet, bis zum Millenium war sie für renommierte Zeitschriften im In- und Ausland tätig, Unter anderen für «Transatlantik», für das legendäre «Kursbuch», für «Geo», «literaturkonkret», die «Frauenoffensive», oder «Text und Kritik», herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold. Ab 1974 bis in die Nullerjahre schrieb sie u.a. für das «Tages-Anzeiger-Magazin», die «NZZ am Wochenende», schwerpunktsmässig für die Wochenzeitung «Woz» und die Kulturzeitschrift «Du».
Von ihren Studienreisen nach Indien, Ostafrika und dem Nahen Osten stammen ihre lebendigen, mit dem ethnologischen Blick geschärften Reportagen, Essays und Kolumnen, für die sie den Schweizerischen Journalistenpreis erhielt. Im Frühjahr 1997 war sie Gast der renommierten Washington University in St. Louis, Missouri. Zu dieser Zeit entstand auch eine Dissertation der amerikanischen Germanistin Julia Scheffer: «Die Sprache aus dem Bett reissen: Feminist Satire in the Works of Elfriede Jelinek and Isolde Schaad» (Washington DC 2000).
Als Künstlerstochter hat Isolde Schaad ihrer Liebe zur Kunst in zahlreichen Künstlerinnenporträts Ausdruck verliehen, vor allem aber hat sie mit ihrer intensiven kunstsoziologischen Studie über ihren Vater Werner Schaad (1905– 1979) «Wie der Kunstmaler sich in der Provinz einrichtet» (Schaffhausen 1980), der Schweizer Kunstgeschichte der Nachkriegsjahre einen wesentlichen Beitrag gestiftet, ganz im Sinne des von Paul Nizons entfachten «Diskurs in der Enge».
Isolde Schaad war immer auch gesellschaftspolitisch aktiv, sie ist Mitbegründerin der selbstverwalteten Genossenschaft Neuland in Zürich Wipkingen, in der sie noch heute lebt. Ihre mehrfach preisgekrönten Bücher erscheinen seit 1984 im Limmat Verlag. Im Frühjahr 2014 erhielt Isolde Schaad sie für ihr literarisches und publizistisches Schaffen die Goldene Ehrenmedaille des Kantons Zürich.
© Limmat Verlag
Peter K. Wehrli
Peter K. Wehrli, geboren 1939, Studium der Kunstgeschichte in Zürich und Paris. Reisen durch die Sahara und zur Piratenküste. Längere Aufenthalte in Südamerika. Redaktor beim Schweizer Fernsehen DRS. Tätigkeit als Herausgeber. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. «Zelluloid-Paradies» (1978), «Eigentlich Xurumbambo» (1992), «Katalog von Allem» (1999).Vorwort. Dieter Bachmann
Ringelspiel
Eine Runde Schweiz. Jochen Jung
Zürich—Lugano—Basel—Genf—Rorschach—Zürich
Geschützte Werkstätte. Manfred Papst
Zürich—Genf—Uetliberg Endstation
Edmund ermässigt. Bruno Steiger
Richtung Romandie
Müllers Lust. Isolde Schaad
Fribourg—Bundtels
Müüchgaffibrunn. Daniel Zahno
In Courgenay
Ein Unrat. Dieter Bachmann
Täglich Basel
Begrenzte Aussichten. Guido Magnaguagno
Nach Interlaken!
Niemandsland. Mascha Kurtz
Olten, ostwärts
In Olten. Klaus Merz
Luzern—Wattwil—Romanshorn
Magical Mystery Tour. Peter Weber
Effretikon—Illnau und zurück
Zum Sonnenbad der Seele. Peter Höner
Speisewagen nach Bellinzona
Drei Schweizerkarten. Peter K. Wehrli
Um den Bodensee
S’isch Rorschach. Christoph Kuhn
Nach Poschiavo
Bernina-Express. Balz Theus
Burgunderpforte—Bern und zurück
Bern sehen. Sibylle Mulot
Die Autoren
Vorwort von Dieter Bachmann
Dies möchte ein freundliches Buch sein, Leser. Es rechnet mit deinem Sinn für die lichteren Momente des Daseins. Es ist die Verneigung vor einer guten Idee, und sei sie auch aus dem Geiste des Kommerzes geboren.Es sind ja nun jeden schönen Tag Legionen unterwegs. Man sieht sie am frühen Morgen in ihren Windjacken am Prellbock aufeinander warten. Manch einer schwingt drohend den Wanderstock, weil er den Golden Rail von Montreux nach Château d'Oex oder den Glacier nach Zermatt vorhat. Um neun Uhr ist es still im Bahnhof. Die Pendler sind an der Arbeit, und die Tageskärtler sind dort, wo sie hinwollten, wo es am schönsten ist an einem schönen Tag, im «fahrenden Abteil».
Eine freies Abteil zweiter Klasse: Sie legen den Rucksack, die Tasche auf die freien Plätze, da kommt ihnen kein andrer mehr hin.
Ist das nicht die beste Art, unterwegs zu sein? Draussen ziehen die Bundesbahnen die Schweiz am Fenster vorbei, und drinnen kommt bald der Mann mit dem Buffetwagen. Ist das nicht der gemütlichste Kaffee, auch wenn er medioker ist: eine Brühe? Da sitzen sie, schauen und fahren in ihre Schweiz hinein. Sie fahren auf die Berge und schauen hinunter in ihr Land, den Seen entlang, und staunen über die Weite. Wie das plötzlich auftut, wenn man nach dem einsamen Freiburgerland zum Loch herauskommt!
So ein Eisenbahnwagen ist ein Stück Stube. Sagt eine Frau im Cisalpino: «Über eine Milliarde Einwohner hats jetzt dort hinten in Indien.» Sie lehnt sich in ihrem Sitz zurück. In Luino wird man eine Flasche Grappa kaufen.
Manche zwitschern jetzt den ersten Dézaley. Bei der Tür sitzt ein stiller Einzelgänger, das faltige Rucksäcklein an seiner Seite.
Dies ist ihre Schweiz. Sie verwandeln das Land in Bahnkilometer, loten diese aus nach den schönsten Zügen, den längsten Strecken, auf Aussichten und Entdeckungen scharf, auf ihr ganz besonderes Erlebnis der Schweiz. Vor dem Zugfenster lassen sie ihr Land antreten, stolz, gerührt, manche gleichmütig (wenn sie nur nicht zu Hause sein müssen).
Ihre Schweiz?
Unsere Schweiz.
Die Schweiz ist klein genug, damit die SBB ein Netz bauen können, auf dem man in einem Tag an alle Enden und wieder zurück kann. Es hat genau die Grösse einer voll ausgefahrenen Tageskarte.
«Warum hält er jetzt?»
«Wahrscheinlich ist rot.»
«Jetzt fährt er wieder.»
«Dann ist grün.»
Die Swissair war dazu da, das Schweizerkreuz und das Schweizergefühl in die Welt zu tragen.
Darauf müssen wir verzichten. Es bleiben die Bundesbahnen, die weiter so heissen, auch wenn sie kein Bundesbetrieb mehr sind.
Die Schweizer Bahn vermittelt für einen, der in Mailand aus Trenitalia in einen Schweizer Zug umsteigt, das gleiche Heimatgefühl wie damals die Swissair, wenn man nach drei Wochen afrikanischem Busch an Bord kam. Es fällt einem ein Stein von der Brust, von dem man noch nicht einmal wusste, dass er da war.
Heimat auf Rädern. Draussen das Land, als wär es vom Trassee aus nach rechts und links hingebaut, bis auf die Gipfel dort drüben. Wo keine Eisenbahn fährt, ist nichts mehr, terrain vague.
Zwei Männer, Gespräch über Europa. Der eine schaut zum Fenster hinaus und sagt nachdenklich: «Und wenn wir eines Tages drin sind - was machen sie dann mit dem Rütli?»
(...)
«Die Schweiz aus ungewohnter Perspektive – wohltuend anders.» Tages-Anzeiger
«Ein erstklassiges Lesebuch mit Geschichten quer durch die Schweiz.» St. Galler Tagblatt
«Die Autoren des Bandes pflegen einen entspannt-ironischen Umgang mit der Schweiz und ihren Mythen. Sie zeigen dabei durchaus nicht nur die Schokoladenseiten des Landes, und beim Blick aus dem Zugfenster sehen auch sie Umweltzerstörung, architektonische Zumutungen und monokulturelle Öde. In der Summe der Beiträge erscheint die Alpenrepublik nicht gerade als Mutter- oder Vaterland langweiliger Wohlanständigkeit, eher als ein Land von ungeahnter kultureller Vielfalt. Man sitzt drei oder vier Stunden im Zug – und ist irgendwie immer auch unterwegs nach Italien oder Frankreich. Jochen Jung, der Verleger aus Salzburg, gesteht als Stimme aus dem befreundeten Ausland unumwunden seine Bewunderung: ‹Wir haben sie vielleicht nicht gern, aber wir lieben sie. Sie ist zwar jungfräulich, mönchisch und sehr eigen, aber sie hat auch so etwas Altmodisch-Modernes, Knorrig-Elegantes, Verbohrt-Fanatisches. (..) Sie ist auch so solipsistisch, so genügsam und egophil, und ach, sie will uns nicht, sie, die das Loch ist mitten im Kontinent, in dem sie nun womöglich zu verschwinden droht.›» Norddeutscher Rundfunk NDR
«Die Idee: 15 Autoren reisen mit dem Eintages-Generalabo auf SBB-Strecken und berichten. Die Umsetzung: sehr gelungen.» Basler Zeitung
«Ein Stück Nostalgie in Sachen Schweiz-Reisen.» Züritipp
«Das Buch besticht durch seine Idee und durch die leuchtenden Texte der 14 Journalisten und Autorinnen, die subtil beobachten und brilliant schreiben können, ganz ohne dabei, wie manch andere, manieriert oder pseudocool werden zu müssen. Es sind leuchtende Eintages-Eskapaden von Menschen, die ausgetretene Pfade zu umgehen suchen - geographisch wie in ihrer Schreibe. Ein subtiles, schnelles, tief- und abgründiges Reisebuch in die Schweiz, die wir zu kennen glauben.» Journalists.ch
«Das Buch macht eine Menge Lust auf Reisen im Zug. Nicht nur in der Schweiz.» Der Tagesspiegel
«Es ist ein ganz besonderes Reisebuch geworden.» Zürichsee-Zeitung
«Ein prächtiges, erfreuliches Buch.» Münstergass-Buchhandlung
«Ein Band, der mehr von Land und Leuten verrät als manches herkömmliche Reisebuch.» Programm-Zeitung
«Ein hin- und fortreissendes Reisenbuch: hellwach, inspiriert, versponnen, köstlich kauzig, literarisch.» Buchjournal
«15 Autorinnen und Autoren geben ein detailliertes Bild der Schweiz von heute.» 20 minuten
«Die Schweizer Bahn ist eine Heimat auf Rädern.» Alpenjournal