Walter Hauser
Hoffen auf Aufklärung
Ungelöste Morde in der Schweiz zwischen Verfolgung und Verjährung
September 2018
978-3-85791-862-9
Ein Plädoyer gegen die Verjährung von Mord
Der Kristallhöhlenmord von Oberriet SG, bei dem zwei Mädchen auf einer Velotour verschwanden, die Entführung von Rebecca Bieri in Gettnau LU und der Fünffachmord von Seewen SO sind nicht nur ungelöst, sondern auch verjährt und können nicht mehr verfolgt werden.
Walter Hauser recherchierte diese und weitere Morde vor Ort, sprach mit Zeugen, Angehörigen und Tatverdächtigen. Seine Schlussfolgerung lautet: Die in der Schweiz geltende Verjährungsfrist bei Mord von dreissig Jahren ist ungerecht und stossend. Während die Täter sich sicher fühlen können und nicht mehr fürchten müssen, zur Rechenschaft gezogen zu werden, leiden die Betroffenen weiter – bis an ihr Lebensende.
Ziel der Ermittlungen viele Jahre nach dem Verbrechen kann nicht Bestrafung und Vergeltung sein, sondern Aufklärung und Wahrheitsfindung.
© Ursi Schnyder-Mahr
Walter Hauser
Walter Hauser (1957–2022), aufgewachsen im Kanton Glarus. Dr. iur., Ex-Kantonsrichter, langjähriger Redaktor u. a. bei der «Sonntagszeitung» und beim «Sonntagsblick». Gründer und Stiftungsratspräsident der Anna-Göldi-Stiftung, die sich gegen Justiz- und Behördenwillkür engagiert und 2017 das Anna Göldi Museum in Glarus eröffnete.Inhalt
1. Damit die Opfer nicht vergessen gehen - Verjährung bei Mord abschaffen?
Nach 30 Jahren bei Mord kann sich die Täterschaft sicher fühlen und wird nicht mehr belangt, während die Angehörigen der Opfer weiterleiden - bis an ihr Lebensende. Ziel der Ermittlung nach so vielen Jahren ist aber nicht Bestrafung und Vergeltung, sondern Aufklärung und Wahrheitssuche.
2. Kristallhöhlenmord von Oberriet SG - ein Ort kommt nicht zur Ruhe
Zwei Mädchen verschwinden 1982 auf einer Velotour und werden neun Wochen später ermordet aufgefunden. Die Täterschaft hatte die Leichen in felsigem Gelände unterhalb der bekannten Kristallhöhle versteckt. Sie muss die Gegend wie ihre Hosentasche gekannt haben. Fünf Männer leben bis heute unter dem Verdacht, die Tat begangen zu haben. Wie gehen Sie damit um? Und was sagen sie zu den Vorwürfen? Noch heute, 36 Jahre später, sorgt das Verbrechen für heftige Auseinandersetzungen im St. Galler Rheintal.
3. Fünffachmord von Seewen
Robert Siegrist (63) verlor beim Fünffachmord von Seewen SO seine Eltern und weitere drei Verwandte. Noch heute ist das für ihn ein einziges grosses Rätsel. Nicht einmal vom Motiv gibt es irgendeine Spur.
4. Mordfall Lenzlinger: Der Tod des Zürcher Milieukönigs und Fluchthelfers
War es die Verzweiflungstat eines eifersüchtigen Nebenbuhlers, ein Eliminationsmord durch den Staatssicherheitsdienst der damaligen DDR oder der Racheakt eines ehemaligen Geschäftspartners?
5. Mordfall Rünzi - die Tote vom Rumensee
Die Ehefrau des Heissluftballonpioniers Kurz Rünzi und Vertraute von Bundesanwalt Rudolf Gerber wird an der Zürcher Goldküste ermordet. Die Staatsanwaltschaft kehrte den politisch delikaten Fall unter den Tisch, obwohl laut «Tages-Anzeiger» die Affäre «nach Aufklärung schreit». Der 93-jährige Kurt Rünzi übt heute Kritik.
6. Der Fall Belshaw - die Tote im Kehrichtsack
Die Ehefrau des bekannten Antropolgie-Wissenschafters Cyril Belshaw war in Montana VS wie vom Erdboden verschwunden. Am Col des Mosses VD wurde in mehreren Kehrichtsäcken eine Leiche gefunden, die nicht identifiziert werden konnte. Der Ehemann der Ermordeten fälschte das Zahnschema seiner Frau und verstrickte sich in Widersprüche. Er wurde vom Vorwurf des Mordes freigesprochen - im Zweifel für den Angeklagten.
7. Erdrosselt in Winterthur. Mord über Mittag
Dem bekannten Goldschmied Heinz Keller wurde vorgeworfen, seine Frau umgebracht zu haben. Er wurde vom Zürcher Geschworenengericht freigesprochen. Der Fall bildete die Grundlage zu Max Frischs Roman «Blaubart».
8. Der Kehrsatzer Mordprozess nach dem Vorbild des Riedel-Guala-Prozesses
Der Mordprozess gegen Bruno Zwahlen hat überraschend viele Berührungspunkte zum Fall Riedel-Guala 60 Jahre zuvor im Emmental. Wären es keine wahren Geschichten, würde man den gleichen Drehbuchautor vermuten. Beide Berner Indizienprozesse endeten mit spektakulären Freisprüchen.
9. Braunwald: Steinschlag oder Schlag mit einem Stein?
Der Angeklagte sagte, seine Frau sei während der Wanderung von herabstürzenden Steinen von der nahen Schlucht getötet worden und wurde freigesprochen.
10. Polizeiüberfall am Opfikerkreisel?
Eine abenteuerliche Geschichte um den gewaltsamen Tod einer Frau. Der Ehemann wurde freigesprochen, womit auch dieses Verbrechen ungelöst ist.
11. Bucheggplatzmord: Der unsichtbare Todesschütze.
Ein Informatiker wird im fahrenden Auto von hinten erschossen. Der Schuss kam wie aus dem Nichts. Niemand hatte den Täter gesehen.
12. Ylenia im Jahr 2007 und die Gewalt an Kindern in den «dunklen» achtziger Jahren
Gibt es Zusammenhänge zwischen diesen ungelösten Fällen? Und welche?
Eine Spurensuche bei einer ganzen Serie von mysteriösen Verbrechen, bei denen Kinder entführt und getötet wurden. Für die Angehörigen sind diese Fälle trotz Verjährung noch lange nicht abgeschlossen.
13. Mord im Heidiland
Neues zum Bad Ragazer Zoomord im Jahr 2012: Kurz bevor Harry L. brutal erstochen wurde, filmte die Überwachungskamera einen Eindringling, der zwei Papageien aus dem Zoo gestohlen hatte. Der Mann lebt heute noch mit dem Verdacht, der Täter zu sein. Mysteriös: Am gleichen Tag ereignete sich ganz in der Nähe auf dem Hof von Ex-Nationalrat Elmar Bigger ein ungewöhnlicher Todesfall. Bis heute ist unbekannt, ob der Vertraute des SVP-Politikers durch Unfall oder Mord ums Leben kam.
Damit die Opfer nicht vergessen gehen – Die Verjährung bei Mord abschaffen?
Gebannt sass ich vor dem Fernseher und verfolgte den Beitrag der Sendung «Aktenzeichen XY ungelöst» von Eduard Zimmermann zum Kristallhöhlenmord in Oberriet SG. Das Verbrechen geschah 1982, als ich Rechtswissenschaft studierte und als Freizeitjournalist über Kriminalfälle berichtete. Das Schicksal der bei den Mädchen, die damals während einer Velotour verschwanden und in Felslöchern tot aufgefunden wurden, wühlte mich auf. Ebenso der Fall der achtjährigen Rebecca Bieri, die in der luzernischen Tausend-Seelen-Gemeinde Gettnau entführt und ein halbes Jahr später in Niederbipp BE tot aufgefunden wurde.
Heute, 36 Jahre später, beschäftigen mich die Fälle aus meiner Studentenzeit in den siebziger und achtziger Jahren nach wie vor und lösen Betroffenheit aus. Denn sie sind mit schweren Schicksalen verbunden und bis heute ungeklärt. Umso mehr interessiert mich die Frage, wie die betroffenen Personen vor Ort mit der Last der ungeklärten Taten umgehen. Ich erkundete die Tatorte, bei der Kristallhöhle am Fuss des Alpsteingebietes, auf der Jurahochebene oberhalb Seewen SO, wo fünf Menschen in einem Wochenendhäuschen durch acht Schüsse aus nächster Nähe starben, und am Entführungsort von Rebecca Bieri auf dem Kühberg in Gettnau LU, sprach mit Angehörigen der Opfer, mit Zeitzeugen und mit Tatverdächtigen. Was bedeutet es für sie, wenn ein Mordfall nach so vielen Jahren ungelöst und verjährt ist? Einzelne im Buch dargestellte Kapitalverbrechen sind auch jüngeren Datums, so etwa der Rätseltod von Ylenia im Jahr 2007 oder der Zoomord von Bad Ragaz im Jahr 2012 (im Buch mit «Mord im Heidiland» betitelt), ein Fall voller Irrungen und Wirrungen. Doch die meisten der im Buch dargestellten Morde sind nicht nur ungelöst, sondern auch verjährt und können strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden, bleiben somit für immer ungeklärt.
In der Schweiz tritt die Verjährung bei Mord nach dreissig Jahren, bei vorsätzlicher Tötung schon nach fünfzehn Jahren ein. Selbst wenn sich noch interessante neue Erkenntnisse ergeben, sind strafprozessuale Zwangsmassnahmen wie Verhaftung oder Hausdurchsuchung nicht mehr möglich, können Personen gegen ihren Willen nicht mehr befragt werden. Mögliche Beweismittel wie die Kleidungsstücke der Opfer werden für immer beseitigt.
Die Frage kommt immer wieder aufs politische Tapet: Soll die Verfolgbarkeit eines Tötungsdeliktes befristet werden? Des schwersten aller Verbrechen? Ist die heutige Verjährungsregelung bei Mord sinnvoll? Braucht es sie überhaupt? Nachdem schon frühere Anläufe für Gesetzesänderungen gescheitert waren, sprach sich der Nationalrat klar für die Beibehaltung der heutigen Verjährungsregelung aus. In einer Motion vom März 2016 hatte der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer (57) ihre Aufhebung gefordert. Der Vorstoss wurde auf Antrag des Bundesrates abgelehnt.
Zwei Gründe führen die Verfechter der Verjährung ins Feld. Erstens lässt sich eine Tat mit der Zeit immer schwieriger nachweisen, und die Gefahr von Fehlurteilen wächst. Zweitens: Ausgehend vom christlichen Ideal des Verzeihens und Versöhnens nimmt der Gesetzgeber an, dass das Vergeltungsbedürfnis der Direktbetroffenen mit der Zeit in den Hintergrund rückt und dem Strafanspruch des Staates zeitliche Grenzen setzt. Konkret heisst dies: Die Zeit heilt Wunden, und selbst über schlimme Ereignisse wächst Gras. Trotzdem nimmt die Kritik an der Verjährung zu. Auch gemässigte Politiker und Experten stellen die Regelung in Frage, einzelne von ihnen gehen mit der Verjährung scharf ins Gericht, so auch der Basler Bundesverwaltungsrichter Philippe Weissenberger (53). Wie der Jurist aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei (SP) in der «Weltwoche» vom 15. März 2018 schreibt, nimmt der Gesetzgeber zu Unrecht an, dass die Gesellschaft die Tat nach so vielen Jahren verarbeitet habe. Gewaltdelikte könnten die Gesellschaft weit länger er schüttern. Weissenberger prophezeit zudem, dass es wegen der neuen kriminaltechnischen Fertigkeiten und Möglichkeiten immer wahrscheinlicher wird, dass Mordfälle noch Jahrzehnte nach der Tat aufgeklärt werden könnten.
(…)
Glarner Woche, 12. September 2018
St. Galler Tagblatt, 13. September 2018
Sonntagsblick, 16. September 2018
20 Minuten, 17. September 2018
Blick, 17. September 2018
TVOstschweiz, 20. September 2018
Höfner Volksblatt, 24. September 2018
Zürichsee-Zeitung, 27. September 2018
20 Minuten, 27. September 2018
3sat, 28. September 2018
Neue Zürcher Zeitung, 4. Oktober 2018
Tages-Anzeiger, 30. Oktober 2018
P.S. Zeitung, 2. November 2018
Aargauer Zeitung, 3. November 2018
Basler Zeitung, 5. November 2018
Bluewin.ch, 6. November 2018
Zürichsee-Zeitung, 10. November 2018
20 Minuten, 4. Dezember 2018
Sarganserländer, 18. Februar 2019
aus-erlesen.de, 19. Februar 2019
«Die Qualität des Büchleins besteht darin, dass es Menschen aus dem Umfeld der Toten zu Wort kommen lässt, die sich bis heute den Kopf zerbrechen, die nie Abschied nehmen konnten. Für sie bleiben die toten Untote. (...) In klarer, nüchterner Sprache breitet Hauser die Fälle aus. Sie sind bis heute rätselhaft.» Neue Zürcher Zeitung
«Walter Hauser verarbeitet die Fälle nicht zu Romanstoff, sondern legt die Fakten auf den Tisch.» Zürichsee-Zeitung
«Walter Hauser zeichnet in seinem Buch so akribisch wie eindringlich schwerste Fälle nach. Es ist ein flammendes Plädoyer gegen die Verjährung von Mord und vorsätzlicher Tötung.» St. Galler Tagblatt
«In seinem Buch deckt Walter Hauser neue Spuren zu rätselhaften Verbrechen auf. Er thematisiert die Widersprüche und stellt Zusammenhänge her.» Blick
«Zwölf ungeklärte Morde, zwölf Geschichten, welche die Schweiz bewegt haben und zwölf Kapitel im neuen Buch von Walter Hauser. Er spricht mit Anwohnern, Verwandten und Verdächtigen.» TVOstschweiz
«Walter Hauser ruft auch etliche Fälle (etwa der Kehrsatzmord oder jener in Winterthur) in Erinnerung, die als Geschichte interessieren und das eigene Gedächtnis prüfen.» P.S. Zeitung
«Walter Hauser leistet mit seinem Buch einen Beitrag dazu, dass diese ungelösten Mordfälle vorderhand nicht in Vergessenheit geraten.» Basler Zeitung
«Ein Buch über die wohl eindrücklichsten Kriminalfälle in der Schweiz – auch weil sie bis heute nicht geklärt werden konnten.» Aargauer Zeitung
«Der Autor findet die Verjährungsfrist von 30 Jahren als ungerecht, ihm geht es dabei aber nicht um Bestrafung, sondern um Aufklärung und Wahrheitsfindung.» 20 Minuten
«Das Buch ist auch ein Plädoyer für die Aufhebung der Verjährungsfristen bei Mord und Totschlag.» aus-erlesen.de