Vincent O. Carter
Meine weisse Stadt und ich
Das Bernbuch
Übersetzt von pociao, Roberto de Hollanda / Mit einem Nachwort von Martin Bieri
Oktober 2021
Aus dem amerikanischen Englisch von pociao und Roberto de Hollanda
978-3-03926-009-6
«Das ungewöhnlichste Buch über die Schweiz.» Republik
1944/45 hatte er als umjubelter GI Europa befreit; als er Jahre später wiederkommt, um sich in Paris als Schriftsteller niederzulassen, will man ihm nicht mal ein Zimmer vermieten. 1953 lässt er sich in Bern nieder, wo er als Schriftsteller und Englischlehrer arbeitet. Verlässt er das Haus, ist er jederzeit auf die ihm verhasste Frage gefasst: Warum bist du nach Bern gekommen?
Und so macht sich Carter in seinem Buch auf, diese Frage, die an seinen «Grundfesten rüttelt», zu bewältigen. In immer neuen Anläufen erzählt er, warum er nicht in Paris, Amsterdam oder München geblieben ist, erzählt Kindheitserinnerungen aus Kansas City und vor allem von Begegnungen in Bern, wo ihn alle anstarren – Männer, Frauen, Kinder, Hunde, Katzen … –, von Geldsorgen, Liebesgeschichten, Reisen, Wohnungssuche. Mit so unzerstörbarem Humor wie hartnäckigem Engagement und voller Ambivalenz geht er dem Rassismus auf den Grund, der Verschiedenheit der Menschen, dem Fremdsein des Individuums in der Gesellschaft. Und ganz nebenbei zeichnet er ein scharf beobachtetes Porträt seiner Zeit, seiner Gesellschaft und seiner Stadt.
© Staatsarchiv des Kantons Bern, FN Baumann 229
Vincent O. Carter
Vincent O. Carter (geboren am 23. Juni 1924 in Kansas City, gestorben in Bern am 23. Januar 1983) wuchs in bescheidenen Verhältnissen im schwarzen Ghetto von Kansas City, Missouri, als Sohn sehr junger Eltern auf. 1941 wurde er als Sanitäter in die US-Armee eingezogen und war ab 1944 in Frankreich stationiert. Zurück in den USA, studierte er mit Unterbrüchen, in denen er als Koch bei der Union Pacific Railroad und in Detroit in einer Automobilfabrik arbeitete, an der Lincoln University (Pennsylvania) Philosophie, Religionswissenschaft und Literatur, mit Abschluss an der Wayne University (Michigan) . Nach dem Studium kehrte er 1952 nach Europa zurück und hielt sich für längere Zeit in Paris, München und Amsterdam auf, bevor er sich 1953 in Bern niederliess, dort Radiosendungen schrieb und moderierte, Englisch unterrichtete, malte und meditierte.
In seiner ersten Zeit in Bern litt er unter dem ausgrenzenden Misstrauen, das ihm vielerorts entgegenschlug. Er beobachtete und schrieb seine Überlegungen und Empfindungen auf, voller Erstaunen, manchmal mit Unverständnis, Irritation, analytisch, melancholisch und dennoch immer auch witzig. 1957 stellte er das Manuskript zu «The Bern Book: A Record of the Voyage of the Mind» fertig, welches 1970 veröffentlicht wurde (John Day, New York). Der Text ist ein einzigartiges Porträt der Stadt, der damaligen Kulturszene und von Carters Lebensumgebung. Vor allem aber beschäftigt er sich mit dem Umstand, dass Carter als «the first and only Negro in town», wie er sich nannte, angestarrt worden sei, als hätte hier niemand je einen Schwarzen gesehen.
«Kaum je eine Woche vergeht, ohne dass ich, wenn ich im Mövenpick oder im Casino bei einem Glas Wein sitze, angesprochen werde und gleich mit einer Menge von Fragen konfrontiert werde. Mit den meisten davon kann ich leicht umgehen. Er fragt: ‹Ist Ihnen nicht kalt, wenn es Winter ist?› und ‹Sind Sie glücklich, jetzt wo die Sonne scheint?› Im ersten Fall sage ich ‹Ja› und im zweiten, der unglücklicherweise selten passiert ‹Ja, tatsächlich›. Sie fragt: ‹Wie lange sind Sie schon in der Schweiz?›, und ich antworte ‹Ungefähr dreieinhalb Jahre›. – ‹So lange!›, staunt sie. ‹How do you like it?›, werde ich in ängstlichem Ton weiter gefragt, auf der Lauer, sich und die Schweiz schon mal zu entschuldigen. Ich warte kurz mit meiner Antwort, um die Spannung zu erhöhen und sage dann: ‹Oh ... I like it well enough.›»
«Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch» ist im Oktober 2021 im Limmat Verlag in deutscher Übersetzung von pociao und Roberto de Hollanda erschienen. Die Theaterfassung von Barbara Weber wird seit der Premiere im Januar 2023 auf den Bühnen Bern aufgeführt.
Carters posthum erschienener Roman «Amerigo Jones» , dessen Manuskript Carter bereits 1963 fertiggestellt hatte, schildert eine Kindheit in Kansas City während den 1920er und 1930er-Jahren, einer Ära, die von Rassentrennung und alltäglicher Ungerechtigkeit geprägt war. Die deutsche Übersetzung von pociao und Roberto de Hollanda erscheint zum 100. Geburtstags von Vincent O. Carter im Juni 2024. Die Originalausgabe erschien 2003 unter dem Titel «Such Sweet Thunder» bei Steerforth Press, New Hampshire.
pociao
Pociao gründete nach längeren Aufenthalten in London und New York Anfang der 70er Jahre einen Vertrieb für experimentelle Literatur aus der amerikanischen Small Press Szene für den europäischen Raum, begegnete Humphrey Bogart zum ersten Mal im Kino und begriff endlich, was Shakespeare mit dem Satz «Ich bin gewillt, ein Bösewicht zu werden» gemeint hatte. Fortan beschäftigte sie sich am liebsten mit den Filous der Literatur, übersetzte Patti Smith und Paul Bowles, folgte William S. Burroughs nach Tanger, tanzte Walzer mit Zelda Fitzgerald, trank Champagner mit Tom Robbins und gewann 2017 den DeLillo-Übersetzungswettbewerb des Deutschen Übersetzerfonds und der FAZ.Roberto de Hollanda
Roberto de Hollanda wuchs in Südamerika und Europa auf, studierte Politikwissenschaften und Soziologie, schreibt Drehbücher, macht Dokumentarfilme und betrieb eine Agentur für Literatur und Film. Er übersetzte u.a. Gonzalo Torrente Ballester, Rodrigo Rey Rosa, Mohamed Mrabet, José Luis Sampedro, Kent Haruf und Almudena Grandes.Martin Bieri
Lebt und arbeitet in Bern. Studium der Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte, Autor, Dramaturg und Journalist in Deutschland und der Schweiz. Er schreibt für verschiedene Tageszeitungen und die schweizerische Depeschenagentur über Kunst und Fußball. Für seine Lyrik wurde er 2016 mit dem Literaturpreis des Kantons Bern, 2017 mit dem Literaturpreis der Stadt Bern ausgezeichnet.
Leseprobe S. 5-19
Die Zeit Schweiz, 7. Oktober 2021
Republik, 25. Oktober 2021
CH Medien, 27. Oktober 2021
Berner Kulturagenda, 27. Oktober 2021
Der Bund, 30. Oktober 2021
Schweizer Monat, 5. November 2021
SRF Regionaljournal Bern, 5. November 2021
Büchermagazin, November 2021
Literatenfunk, 21. November 2021
Hochparterre, 22. November 202
WoZ, 16. Dezember 2021
Deutschlandfunk Kultur, 30. Dezember 2021
SWR2, 21. Januar 2022
Literaturkritik.de, 9. Februar 2022
freundin, Februar 2022
Saiten, März 2022
Sozial Aktuell, April 2022
Ich schweige nicht, Frühling 2022
Berner Zeitschrift für Geschichte, September 2022
Berner Kulturagenda, Oktober 2022
Die Stimme der Kritik, 29. Januar 2023
Hauptstadt, 30. Januar 2023
Der Bund, 30. Januar 2023
Radio SRF 2 Kultur, 31. Januar 2023
Bärnerbär, 07. Februar 2023
BKA, 22. Februar 2023
«Das Buch ist literarische Avantgarde. Ein Ereignis.» Anne-Sophie Scholl, Die Zeit
«Das ungewöhnlichste Buch über Bern und die Schweiz.» Daniel Graf, Republik
«Carters Blick auf Bern und seine Bevölkerung geht weit über eine oberflächliche Kritik am herrschenden Puritanismus hinaus: Er seziert Phänomene wie die Unterdrückung der Frau, die Zerstörung der Landschaft, die Sanierung und Aushöhlung der Gebäude in der Altstadt und den zwiespältigen Umgang der Schweiz mit ihren Künstlern, Literaten und Architekten.» Der Bund
«50 Jahre nach der englischen Erstausgabe erfährt der afroamerikanische Autor postum die Beachtung, die ihm gebührt.» Katja Zellweger, BKA
«Mit dem ‹Bernbuch› hat Vincent O. Carter der Stadt ein aussergewöhnliches literarisches Vermächtnis hinterlassen.» Silvia Süess, WOZ
«Eine wahrlich kostbare Trouvaille.» Vojin Saša Vukadinović, Schweizer Monat
«Als umjubelter GI lernte er Europa kennen, 1953 lässt sich Vincent O. Carter in Bern nieder, wo er als Schriftsteller und Englischlehrer arbeitet. Verlässt er das Haus, verfolgt ihn überall die verhasste Frage: Warum bist du nach Bern gekommen? Sein essayistisches Memoire umkreist auf über 400 Seiten diese Frage und ergründet mit viel Verve, Humor und Reflexion den Alltagsrassismus seiner neuen Heimat. Ein frühes Zeugnis afroamerikanischer Identitätssuche, das der weißen Mehrheitsgesellschaft in Europa den Spiegel vorhält – endlich nach über 50 Jahren auch ins Deutsche übersetzt!» Büchermagazin
«Die psychologischen Mechanismen des Rassismus analysiert der Autor bis ins Feinste, auch, was sie mit einem selbst machen, wenn man ihnen täglich, selbst unter Freunden, begegnet. Das macht dieses Buch so wertvoll und aktuell. Es zeigt Grösse im Denken und erhellt literarisch souverän Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Strukturen und psychischen Befindlichkeiten. Mit diesem Buch zeigt sich Vincent O. Carter als das, was er immer sein wollte: ein grosser Schriftsteller.» Carsten Hueck, Deutschlandfunk Kultur
«Ein grossartiges und hochaktuelles Buch. Hervorragend übersetzt.» Jan Kuhlbrodt, Literatenfunk
«Die psychologische Dynamik des Rassismus, die Vincent O. Carter in seinem vielschichtigen Werk so eindringlich beschreibt, existiert auch heute noch. Nicht nur in der weissen Stadt Bern. Die aber hat er zu einem Ort der Schwarzen Literatur gemacht.» Kathrin Hondl, SWR2
«Ein verspieltes Werk, nach innen gerichtet. Literarisch gekonnt aufbereitet.» Karsten Redmann, Saiten
«Carter zeichnet ein scharf beobachtetes Porträt seiner Zeit, seiner Gesellschaft und seiner Stadt.» Sozial Aktuell
«Interessant und wichtig. Spannend ist das Buch wegen seiner Einblicke ins Bern der 1950er Jahre, tauchte doch Carter tief in den Kosmos seiner Wahlheimat ein und verblüfft mit vielen seiner Beobachtungen.» Erwin Marti, Ich schweige nicht
«Carter war visionär.» Helen Lagger, Der Bund
«Mit Ironie und hoher Sensibilität zeichnet Carter ein Porträt der Berner Gesellschaft und deren Lebensgefühl.» Sarah Leonor Müller, Hauptstadt
Wann | Was | Wo |
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05. Nov. 24 19:30 Uhr |
Meine weisse Stadt und ich Schauspiel |
Vidmarhallen 3097 Liebefeld |
13. Dez. 24 19:30 Uhr |
Meine weisse Stadt und ich Schauspiel |
Vidmarhallen 3097 Liebefeld |
08. Jan. 25 19:30 Uhr |
Meine weisse Stadt und ich Schauspiel |
Vidmarhallen 3097 Liebefeld |
13. Jan. 25 19:30 Uhr |
Meine weisse Stadt und ich Schauspiel |
Vidmarhallen 3097 Liebefeld |