Beatrice von Matt
Meinrad Inglin. Eine Biographie
Januar 1976
978-3-85791-669-4
Noch vom 1971 verstorbenen Schriftsteller autorisiert und mit zahlreichen Auskünften und Unterlagen versehen, hat Beatrice von Matt-Albrecht diese in Zukunft massgebende Inglin-Biographie verfasst. In fesselnder Weise hat Beatrice von Matt Inglins Leben aufs genaueste und mit manchen neuen Aspekten zu schildern vermocht und sein Werk, das besonders eng mit diesem Leben verbunden war, gedeutet. Das bewusste, kompromisslose Schriftstellerdasein ist in drei Hauptteile mit den Überschriften «Befreiung», «Verwirklichung», «Konstanz» gegliedert. Anhand des reichhaltigen Nachlasses, der vielen mündlichen Zeugnisse und vor allem des Werkes selbst, hauptsächlich des Romans «Werner Amberg », schuf Beatrice von Matt die Biographie eines der grossen Schweizer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Ein Anhang mit Zeittafel, genauer Bibliographie und Register sowie zahlreiche aufschlussreiche Photographien und Faksimiles ergänzen den Band.
Beatrice von Matt
Beatrice von Matt, geboren 1936 in Basel, Studium in Zürich, Paris und Cambridge. Sie promovierte 1964 bei Emil Staiger mit einer stark beachteten Dissertation über «Die Lyrik Albin Zollingers». Die Literaturkritikerin und Publizistin übte eine vielfältige Kritikertätigkeit in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften aus. Bis 1995 war sie Literaturredakteurin der «Neuen Zürcher Zeitung». Mitarbeit bei kulturellen Organisationen, unter anderem seit 1998 Stiftungsrätin der Schweizerischen Kulturstiftung Pro Helvetia. 2022 erhielt sie die goldene Ehrenmedaille des Kanton Zürichs. Ihre Hauptgebiete sind Theater, deutschsprachige und besonders auch schweizerische Literatur des 20. Jahrhunderts.
Vorwort
Meinrad Inglin zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern der Schweiz in diesem Jahrhundert. Die Klarsichtigen seiner Zeitgenossen haben ihn erkannt und gewürdigt. Albin Zollinger nennt ihn den «stillen, gewaltigen Mann»; Max Frisch spricht vom «prachtvollen Mann und vortrefflichen Autor»; Werner Zemp preist ihn als von «heiliger Nüchternheit»; Hermann Hesse rühmt das «Unvergeßliche» in den «Güldramont»-Novellen; C.J.Burckhardt schreibt von der «Grauen March» als von einer «großen dichterischen Sache... das ganze Gebilde ist... vollendet»; Adrien Turel liest den «Schweizerspiegel» als ein «ausgezeichnetes Werk». Karl Schmid hat in seiner Rede zu Inglins 70. Geburtstag die Schweiz aufgerufen, fieses Werk endlich in Besitz zu nehmen; denn sie gehe, wenn sie solcher Dichter nicht bedürfe, zuletzt «vor die Hunde der Wohlfahrt». in diesem Prozeß der Aneignung möchte die vorliegende Biographie mithelfen. Sie morde 1969 begonnen, in einer Zeit also, da das Werk abgeschlossen vorlag, in der aber der Autor und viele seiner befreundeten Generationsgenossen noch lebten und Auskünfte geben konnten, die bald einmal nirgends mehr zu erhalten gewesen wären. Inglin selber fand sich zu eingehenden Gesprächen bereit.Fünfzehn Monate vor seinem Tod rief er mich einmal unvermittelt zu sich; ich solle mir die Standorte der wichtigsten Dokumente merken. Er wies auf die Gestelle hin, wo die verschiedensten Ausgaben seiner Bücher standen, und auf die Schubladen mit den Korrespondenzen und den vollzähligen Kopien der eigenen Briefe. Er unterrichtete mich, daß auch in den oberen Zimmern des dreistöckigen Hauses noch Material versorgt sei, und führte mich hinauf, ohne aber die Truhen und Schränke zu öffnen. Hier fanden sich nach seinem Tod unschätzbare Dokumente, u. a. alle ungedruckten Arbeiten und Entwürfe sowie die ersten handschriftlichen Fassungen der bekannten Werke. Sie liegen jetzt auf der Kantonsbibliothek Schwyz.
Die Biographie stützt sich ganz auf sorgfältig gesichtete und geprüfte Dokumente: Tagebücher, Briefe, Entwürfe, erste Niederschriften, Überarbeitungen, Gespräche mit Freunden, Bekannten und mit dem Autor selbst. Ziel war, alle erreichbaren Tatsachen festzuhalten, die mit dem schriftstellerischen Werk und dessen Entstehungsprozeß in Beziehung sind. Werkkommentar und Interpretation mußten sich dem biographischen Bericht unterordnen. Sie treten in der Gestalt knapper Akzentuierungen und kritischer Exkurse in Erscheinung. Meine Hoffnung ist, daß spätere Deutungen hier ihre gesicherte Grundlage finden. Ein besonderes Problem bildet die Auswertung des Romans «Werner Amberg», der autobiographischen Jugendgeschichte bis zum 18. Altersjahr. Hier ließ sich fast jedes Geschehnis mit Beweisstücken (Tagebücher von Mutter und Tante, Photographien, Schulzeugnisse und Zertifikate, Zeitungsberichte usw.) belegen. Die Versuchung war groß, die oft hinreißende Gestaltung des inneren Lebens zwischen Trotz und Ausgeliefertsein, zwischen «eigenrichtiger» Individualität und harter gesellschaftlicher Bedrängnis als vollgültiges Zeugnis der Jugendzeit Meinrad Inglins zu verwenden. Dies durfte indessen nur dort geschehen, wo zusätzliche Gründe dafür sprachen. Tatsächlich ist der Roman eine auswählende, pointiert deutende Gestaltung des Lebensgangs, unter das Stichwort eines «Freiheitskampfs» gestellt, und diese Deutung stimmt nicht durchwegs mit den historischen Tatsachen überein. So wichtig das Buch daher für mein Unternehmen wurde, so sehr hat es mich doch auch gezwungen, zusätzliche Sondierungen vorzunehmen. Die Differenz zwischen Inglins rückblickender Selbstinterpretation und der nachweisbaren Ereignisfolge erwies sich zuletzt als eines der Schlüsselphänomene für seine intellektuelle und künstlerische Entwicklung.
Allen Gesprächs- und Briefpartnern danke ich sehr herzlich für die Freundlichkeit, mit der sie auf meine Fragen eingegangen sind: Herrn und Frau a. Regierungsrat Dr. Alois ab Yberg, Schwyz; Herrn und Frau Karl Amgwerd, Schwyz; Herrn Willi Dünner (t), Winterthur; Frau Martha Farner-Gemsch, Thalwil; Fräulein Johanna Gemsch, Schwyz, Frau Margrit Gemsch, Schwyz; Herrn a. Ständerat Dr. Dominik Auf der Maur, Schwyz; Frau Marie-Louise Bodmer, Schwyz; Frau Marta Hebeisen-Zelger, Stäfa; Herrn und Frau Emil Holdener-von Reding, Schwyz; Herrn und Frau Dr. Martin und Bettina Hürlimann, Zürich; Frau Claire Inglin-Steinegger, Wolfhalden; Herrn Josef Inglin, dipl. ing. ETH (t), Wolfhalden; Herrn Dr. Paul Kamer, Pro Helvetia, Zürich; Herrn Dr. Willy Keller, Staatsarchivar, Schwyz; Herrn Hans von Matt, Bildhauer, Stans; Herrn Willy Messmer, Schwyz; Herrn Prof. Dr. Georg Schoeck, Zürich-Brunnen; Herrn und Frau Prof. Dr. Emil Staiger, Horgen; Herrn Dr. Gottfried Stiefel, Winterthur; Fräulein Helen Weber, Schwyz; Herrn Prof. Dr. Werner Weber, Zürich; Herrn Prof. Dr. Max Wehrli, Zürich; Herrn Dr. Theophil Wiget, Kantonsbibliothek Schwyz; Herrn Prof. Dr. Egon Wilhelm, Uster; Fräulein lic. phil. Ida Zweifel, Zürich. Ebenso gebührt herzlicher Dank meinem Schwager, Herrn Willi Slongo, dipl. ing. HTL für die MaschinenAbschrift des Manuskripts, sowie meinem Schwiegervater, Herrn Franz von Matt, der das Register erstellte. Danken möchte ich vor allem auch Herrn Dr. Daniel Bodmer, dem Verleger Inglins, der meine Arbeit in Übereinkunft mit dem Dichter förderte und durch stetes Interesse unterstützte. Mein Mann hat die Entstehung des Buches von den ersten Plänen an freundschaftlich mitverfolgt.
«Wissenschaftliche Genauigkeit steht hier nicht isoliert da. Sie könnte es bei diesem umfassenden Wissen der Autorin. Aber dieses Wissen wird getragen von einem Engagement für den Dichter, seine Person, sein Schicksal wie sein Werk, sein Engagement, das nie aufdringlich wirkt, sondern erst erkannt wird, wenn man das Werk bis zur letzten Seite gelesen hat. Es ist Beatrice von Matt mit überzeugendem Einfühlungsvermögen, ebenso wie mit rationaler Stichhaltigkeit, geglückt, Inglin aus der engen Umklammerung des nur Provinziellen, Abseitsliegenden, zu befreien. Wenn wir die übrige Inglin-Literatur zum Vergleich herbeizziehen, so dürften wir sagen, dass Beatrice von Matt mit ihrer Inglin-Biographie die entscheidende Tat geglückt ist, die Schweiz aufzurufen, dieses Werk endlich in Besitz zu nehmen. Denn sie geht, wenn sie solcher Dichter nicht bedarf, zuletzt ‹vor die Hunde der Wohlfrahrt› (Karl Schmid). Für alle Leser, die Inglins Werk teilweise oder auch im ganzen Umfange kennen, ist diese Biographie eine hochwillkommene Ergänzung, keineswegs aber eine simple Bestätigung des bereits Gewussten, für die anderen der auf lange Zeit hinaus wohl wichtigste Anlass, sich dieser unveräusserlichen Dichterpersönlichkeit anzuerkennen.» Neue Zürcher Nachrichten
«Beatrice von Matt hilft uns in grossartiger Weise, so formuliert Prof. Rusterholz in den ‹Schweizer Monatsheften›, ‹nicht nur aspekte, sondern die ganze Vielgestalt von Inglins Werk endlich zur Kenntnis zu nehmen und nicht nur dessen Bestätigung, sondern auch dessen Kritik unserer Lebensformen zu akzeptieren›.» Bündner Zeitung