Im Herzen waren wir Indonesier
Gret Surbek

Im Herzen waren wir Indonesier

Eine Bernerin in den Kolonien Sumatra und Java 1920–1945

Herausgegeben von Christa Miranda, Paul Hugger

Das volkskundliche Taschenbuch [45]

512 Seiten, 70 Abb., gebunden
November 2007
SFr. 54.–, 58.– €
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978-3-85791-526-0

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25 Jahre verbrachte die Bernerin Gret Surbek in Indonesien – von 1920 bis 1945. Sie erlebte so die Phase der holländischen Kolonialzeit in Niederländisch-Indien und anschliessend die Jahre der japanischen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges. Als 19-jähriger Backfisch aus gutem Haus war sie ohne jegliche Auslanderfahrung ihrem Traummann, dem Berner Tropenarzt Kurt Surbek, in den Dschungel Sumatras nachgereist. Während er an verschiedenen Plantagenspitälern arbeitete, betreute sie den Haushalt und die beiden Kinder. Später zog die Familie nach Bandung auf Java und baute dort ein Sanatorium auf, bis der Weltkrieg eine grosse Zäsur in ihr Leben brachte.
Nach der Rückkehr in die Schweiz verarbeitete Gret Surbek ihre Tagebücher zu umfangreichen Memoiren. Diese zeugen von einer Frau, die sich schon früh intensiv mit den angestammten Kulturen Indonesiens beschäftigte und die sich manchmal über die koloniale Arroganz der Holländer ärgerte, aber auch offen zu ihren eigenen Fehlern stand.

Gret Surbek
© Limmat Verlag

Gret Surbek

Gret Surbek-Herzog (1901–1982) verliess mit 19 Jahren ihre Heimatstadt Bern, reiste allein nach Singapur und heiratete den «jungen, gutaussehenden, vielversprechenden Mediziner» Kurt Surbek. Sie zog zwei Kinder auf, beteiligte sich an archäologischen Ausgrabungen und lernte Kultur und Menschen kennen. Das Paar unternahm ausgedehnte Reisen nach Siam, Indochina, Bali und Indien. Während des Krieges war Kurt Surbek als IKRK-Delegierter tätig. 1946 kehrte die Familie über Australien in die Schweiz zurück. Nach dem Tod ihres Mannes 1947 lebte Gret Surbek in Bern und Iseltwald.

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Paul Hugger
© Yvonne Böhler

Paul Hugger

Paul Hugger, 1930–2016, Studium der Volkskunde, Ethnologie und Romanistik, em. Ordinarius für Volkskunde an der Universität Zürich. Zahlreiche Publikationen über Schweizer Fotografen, zur Alltagsfotografie, Herausgeber u. a. des Handbuchs der Schweizerischen Volkskultur, «Kind sein in der Schweiz. Eine Kulturgeschichte der frühen Jahre», Herausgeber der Reihe «Das volkskundliche Taschenbuch» und Mitherausgeber «FotoSzene Schweiz» im Limmat Verlag.

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Inhalt

Schicksale und Gedanken einer ungewöhnlichen Frau  von Paul Hugger  9
Grossmutters blaue Tagebücher  von Christa Miranda  11

SUMATRA 1919–1933

Jungmädchentraum 15 · Im Ämterdschungel 19 · Aufbruch 22 · In seinen Armen 24 Der fliegende Hochzeitshut 25 · Mit Schiff und «Feuerwagen» 28 · In der «hintersten Ecke des europäischen Einflusses» 31 · «Gebrüll und Gesang, Gerülpse und Geschnarch» 33 · Hinein in den Urwald 34 · Wie die Weissen wohnen 37 · Angst vor wilden Tieren 40 · Dienstboten und süsse Jungen 43 · Gesundheitsfragen in den Tropen 47 · Die junge Stadt Medan 49 · Bei den Batak am Tobasee 50 · Abenteuer Ford 52 · Das Spital – eine Bretterbude 54 · Pferderennen der Kulis 56 · Neue berufliche Aussichten 59 · Kautschuk 60 · Empfang beim Dorffürsten 62 · Kampftänzer 63 · Enttäuschende Absage 64 · Mangusten und andere Früchte 66 · «Die Inder sind geborene Verkäufer» 66 · Reisepläne 68 · Stellenangebot aus Süd-Sumatra 69 · Insel der Verheissung 70 · Mischehen 72 · Abschied aus Batang Saponggol 74 · Von Bangkok nach Sumatra 76 · Palembang, ein «grosses Dorf» 79 · Das Doktorhaus aus «Holz und Wellblech» 83 · Hausratsversteigerung – ein Fest! 86 · Langweilige weisse Damen 87 · Schweizer Unternehmergeist und eine Kuh als Kapital 88 · Elefantenjagd 91 · «Die fruchtbarsten Jahre unseres Lebens» 93 · St.Nikolaus 94 · Shell entzaubert 96 · Der Bär im Kochtopf 97 · «Sklavinnen ihrer Männer» 99 · Feuertanz 100 · Tropenmedizin 101 · Geburt im Provinzspital 106 · Unfähige Schwestern 107 · Medizinische Inspektion der Schulkinder 108 · «Cook-Millionäre» 109 · Das ideale Tropenhaus 112 · Auf dem Marterstuhl des Zahnarztes 112 · Ausbrüche 114 · Europäerdünkel 115 · Das «ethische» Gefühl 118 · «Die in Sünde empfangenen Kinder» 120 · «Männer hüten» 121 · Der Pasemah-Wasserfall 122 · Der schöne Tänzer 126 · «Eskapade» mit Koos 129 · Amoklauf eines Kulis 131 · Die üppigen Diners von Frau Blok 132 · Faszination Prähistorie 134 · Europaurlaub in Sicht 135 · Der Besuch des General-Gouverneurs 136 · Die Ölfelder der Shell verursachen eine Depression 139 · Zurück in Pagaralam 141 · In der Teefabrik 143 · Vulkanausbruch am Merapi 146 · Fahrprüfung mit weiblichem Bluff 147 · Archäologie «mit Hand und Herz» 149 · Dorfhochzeit 152 · Das «Geheimnis» des Mekkapilgers Hadji Zaini 156 · Geschenk oder Bestechungsversuch? 158 · Die Javanen-Kolonie 160 · «Emotionen sumatranischer Autoreisen» 162 · Der «Liebestrank» 164 · Bernies Aufklärung bei der Frau des Stallknechts 167 · Das heilige Grab 168 · Zwei ungleiche javanische Ärzte 170 · Alwi, der «verhinderte Adonis» 172 · Die zweite Javareise 174 · Jahrmarkt in Solo 176 · Zu Pferd auf den Bromo 180 · Haushalten ohne Ayah 182 · Graphologie als Brautexpertise 185 · Geschwür und Herzbeschwerden 186 · Eine Schiffsrevolte 187 · Crème de la Crème 188 · Jahrmarkt in Palembang 191 · Krise ohne Ende 192 · Ölpalmen 193 · Erdbeben und Vulkanausbruch 194 · Im Alleingang nach Java 195 · Ein heimwehkranker Schweizer 196 · Dago oder «Die Chance unseres Lebens» 201 · Sukarno 202 · Korinthenbrötchen und fromme Christen 202 · Kurt taucht auf 205 · Kurt in der «Zürcher Illustrierten» 205 · Donnerkeile 208

JAVA 1933–1941

Der Traum platzt – vorerst 211 · Die alte Teeplantage im Park 212 · Ein siamesischer Prinz als Patient 214 · Das Sanatorium wird Realität 215 · Renovieren auf Javanisch 217 · Neue Bekannte 222 · Solsana wird eingeweiht – ein Blumensegen 226 · Koch Otong und die Diätküche 229 · Wie man zu einem Millionenvermögen kommt 230 · «Suite de luxe» für die Prinzessin 232 · Schafbockkampf 234 · Der Schweizer Konsul – ein Gauner 235 · La Directrice 236 · Vorwürfe an Kurt 239 · Kurt flüchtet nach China 241 · Missionare mit Übergewicht 242 · Der todgeweihte Herr K. 243 · Fröhliche Gladys – menschenscheuer Bernie 248 · Selbstanalyse 249 · Jopie will wissen, ob man im Himmel auch essen muss 250 · Unheilvolle Nachrichten 252 · Wieder allein 254 · Karussell und Kinderjubel 255 · Hundertvierzig Hausfrauen 256 · Mütterliche und andere Gefühle für Bob 259 · Sundanesisch-Stunden 260 · Zauberei als ethnographische Methode 262 · Aufstand der Schweizer Legionäre 266 · Traumreise nach Bali 267 · Der Journalist und Kunsthändler 269 · Kétjak, der grosse Tanz 270 · Leichenverbrennung 272 · Der heiligste Tempel 273 · Farbenfrohes Bali 274 · Mehr als «sex appeal» 277 · Exkurs über den Balinesischen Busen 280 · Der Basler Maler und seine balinesischen Modelle 282 · Bogenschiessen 284 · Ophelia und die Ehekrise 285 · «Wer ist Hubermann?» 289 · Der Unglücksflug 292 · «Shanghai Lily» und die Juwelen 294 · «Sittenskandal» 297 · Die Badui: Schilderung des Sundanesischlehrers 299 · Reise nach Europa 300 · Schmuckaffäre am ägyptischen Zoll 302 · Ins Sommerhaus 305 · Bundesrat Minger am Concours 307 · 1. August im Zeichen der Mütter 308 · «E Chue i dr Luft» 309  · «Kindische Faxen» am Vorkriegsabend 311 · Die Wahl des Generals 313 · Marguerite rettet ihre Wertsachen 314 · «Kriegspsychose» 316 · Das Dilemma 316  · Rationierung 318 · Einfall der Russen 319 · Der englische Dienstverweigerer und die «sorcière» 320 · «Wer noch Geld hat, gibt es aus» 323 · Der Entschluss 324  · Judenkinder 325 · Guisan 326 · Holland in Gefahr 326 · Was im Tagebuch fehlt 327  · Kranker, depressiver Kurt 328 · Neue Pläne für Bernie 330 · Die Deutschen fallen in Holland ein 331 · Solsana aufgeben? 333 · Kurt wird Delegierter des ikrk 335  · «Anderthalb Tränen» für Bernie 335 · Reizbarkeiten und Verdunkelungsübung 337 · «Ordentliche Holzbaracken» im Lager von Kuta Tjane 338 · Eine unerwartete Chance 339 · Heimlich enttäuscht 341 · «Thunersee» im Herzen Sumatras 344  · Bernies Briefe 346 · Chalet du Lac, Samosir 352 · Konfessionelle Intrigen 355  · Eine neue Sprache 355 · Prügelstrafen im Internat 358 · «Mammonkult» der Batak 359 · Wettstreit der Missionare 362 · «Bitte keine Sittenpredigt!» 363  

DER KRIEG 1941–1945

Pearl Harbour – der Donnerschlag 365 · Das verspätete Telegramm 367 · Weg von Samosir 369 · Japaner bombardieren den Flugplatz 370 · Auf halbem Weg heim 371 · Die Flugzeugstaffel legt «Eier» 372 · Vorsorge im Fall eines «Volltreffers» 374 · Kriegsinformationen in der Kirche 375 · Kapitulation 376 · Die Japaner sind da! 378 · Plünderungen 380 · «Schwätzchen» mit einem Japaner 381 ·  «Wie wilde Tiere» 382  · Flucht ins Spital 385 · Die Matratzenkammer 385 · Reaktionen von Indonesiern 387 · Kriegspflichten als «Wohltätigkeitsdame» 388 · «Sklavenhandel» mit Frauen 391  · Massnahmen der Besatzer 392 · «Internationale Flickstube» 393 · Fehlender Zauberspiegel 395 · Japanische Ohrfeigen 396 · Blick in die Gefangenenlager 397 · Tagebuch für Bernie 398 · Kurt wird verhört 400 · Die schiffbrüchige Chinesin 401 · Ein indonesischer «Hampelmann» 403 · Doris Lims Geschichte, zweiter Teil 404 · «Grau und grauenvoll» 405 · Störrische Gladys, kranker Kurt, depressive Gret 407 · Japanischer Feiertag 409 · «Sturm ist in meiner Leber» – Liebesbrief eines Japaners 410 · Ernüchterndes von der Schweizer Vertretung 410 · Das «Schätzeli» 411 · «Brüeli» schickt Foto 412 · Gret genügt sich nicht 415 · «Wenn ich Sie nicht sehe, wird meine Leber einsam» 416 · Alltag im besetzten Padang 419 · Die Technik der Verbeugung 420 · Lebensmittel werden knapp 422 · Gladys wird auf der Strasse «konsultiert» 423 · Abschied von Padang 424 · «Chefi»-Geschichten 426  · «Nervenzermürbend» 427 · Die Schweiz im Krieg? 429 · Angst vor der Kempeitai 431 · Was in der Zeitung steht und was nicht 432 · Mino und Gladys 433 · Trennung für fünf Wochen 434 · Schriftanalyse und Nachtessen mit Mino 436 · Die Kriegserlebnisse von Mino und Yoshida 438 · Beim Kronprinz von Kota Pinang 440 · Der Spitzel 441 · Der «bauernschlaue» Sultan 443 · Lebenszeichen von Bernie 445 · Minos Ohrfeige 447 · Kurt kündigt 449 · Verlorene Freundschaft 451 · Das «Schwalbennest» 452 · Unterschrift zur Kollaboration 453 · Unabhängigkeit in Sicht 455 · Nachkriegspläne 456 · Haushalten mit Phantasie 458 · Soldaten zu Besuch 459 · «Könnt Ihr einen Dampfer schicken?» 462 · Hitler ist tot 464 · «Staatenlose Volksdeutsche» 466 · «Zukunftsträume» 467 · Die «Geheimbombe» 468 · Angst vor Aufständen 470 · Die Alliierten lassen auf sich warten 471 · Unverbesserliche Holländer 472 · Unerwartete Anerkennung 473 · Chaotische Hilfsaktionen 474 · «Farben schienen farbiger, die Töne heller» 476 · Die Lager 477 · Die erste Schokolade nach dem Krieg 482 · «Der Kolonialismus hat ausgedient» 484 · Rot-weiss 485 · «Meine Feigheit» 487 · Kurt wird ersetzt 489 · «Höchste Zeit, abzuhauen!» 490 · Als Kriegsflüchtlinge in Singapore 493 · «Blitz-Evakuation» 494 · «Schlafsucht» 496 · «Ein junger Mann mit Schmachtlocke» 498

Was nachher geschah  501
Zu den Erinnerungen meiner Mutter  von Gladys Luginbühl-Surbek  502
Glossar  505

Schicksale und Gedanken einer ungewöhnlichen Frau

Es war Prof. Hans Bögli, damals Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde, der mich 2003 auf das Manuskript von Gret Surbek aufmerksam machte; es wäre wohl für eine Publikation in der Reihe «Das Volkskundliche Taschenbuch» geeignet. Eine erste Kostprobe, die mir Gladys Luginbühl, die Tochter, zukommen liess, war vielversprechend. Das Interesse war geweckt und der Kontakt zur Familie aufgenommen. In regelmässigen Abständen erhielt ich darauf die siebzehn Textbände in Kopie zur Lektüre zugesandt. Vor mir entstand das Bild einer ungewöhnlichen Frau und eines ungewöhnlichen Schicksals, das vielleicht letztlich so ungewöhnlich nicht war, sondern sich einfach unserem Bewusstsein entzieht. Denn dafür liegen nur wenige zeitgenössische Zeugnisse vor. Es ist das Schicksal eines jungen Schweizer Ehepaars, das hoffnungsvoll das gemeinsame Leben im fernen Sumatra beginnt, er als frischgebackener Mediziner, sie kaum der weiblichen Adoleszenz entwachsen und über das Backfischalter hinaus. Es kommen zwei Kinder zur Welt. Wir sind in den frühen 1920er Jahren, und die weisse Oberschicht fristet unbestritten ihr koloniales Herrenleben. So geht das lange Jahre ökonomisch gut, auch wenn sich eine gewisse wirtschaftliche Depression selbst im Fernen Osten auswirkt. Aber dann brechen die Wirbel und Wirren des Zweiten Weltkriegs über den Archipel herein, es kommt zur Eroberung und Besetzung durch die Japaner und zu den entsprechenden Schikanen und Demütigungen. Schwer geprüft, aber auch gereift überlebt die Familie die schwierigen Jahre und kehrt nach Europa zurück.

Von solchen Schicksalen haben wir in Europa wenig Kenntnis genommen. Asien war für uns ein Nebenschauplatz des Zweiten Weltkriegs, auch wenn sich dort das atomare Fanal ereignete. Unser Blick war und ist vor allem auf das europäische Drama gerichtet. In diese Lücke springen die Erinnerungen von Gret Surbek ein.

Mehrere Aspekte faszinierten mich bei der Lektüre: Da schreibt eine Frau, die sich schon früh intensiv mit den angestammten Kulturen Indonesiens beschäftigte, sich nicht zu gut war, die entsprechenden Sprachkenntnisse zu erwerben, und der die koloniale Arroganz der Holländer auf die Nerven ging. Gret Surbek nimmt mit offenen Sinnen die Wunder der Natur und der Kultur der neuen Heimat auf. Dann aber sprechen mich vor allem die Offenheit und Direktheit an, mit der Gret Surbek vom eigenen Versagen spricht, Fehler eingesteht und auf die Schwierigkeiten in der Ehe und entsprechende Tabubrüche eingeht. Die Tagebuchseiten enthüllen das bewegte Innenleben einer Frau, die ein hohes Sensorium für die Probleme der Zeit hatte. Mit gleicher Offenheit schildert sie auch die abscheuliche Vergewaltigungsszene durch japanische Soldaten. Dinge, die meistens in solchen Rückblicken auf das eigene Leben verschwiegen werden. Was mich aber am meisten beeindruckt, ist die Tatsache, dass im Nachhinein die japanischen Besatzer nicht in Bausch und Bogen verurteilt werden, hasserfüllt, was ja begreiflich wäre, und dass Gret Surbek im Gegenteil eine sehr differenzierte Sicht auf diese Leute bietet – eine souveräne Haltung.

Das Buch stellt so einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis der letzten Phase des Kolonialismus dar, seiner Spätblüte und des Zusammenbruchs, aber auch des Alltags im Zweiten Weltkrieg in diesen Regionen. Die Texte geben darüber hinaus Einblicke in das Wesen und Leben der einheimischen Bevölkerung, bevor die Amerikanisierungswelle auch diese Länder erreichte. Es ist den Nachkommen von Gret Surbek, vor allem Gladys Luginbühl, der Tochter, und Christa Miranda, der Enkelin, zu danken, dass sie der Veröffentlichung dieser wahrlich privaten Texte zugestimmt haben. Sie haben damit das autobiografische Schrifttum des 20. Jahrhunderts bereichert. Die Zusammenarbeit war optimal, und dafür danke ich.

Paul Hugger

Jungmädchentraum

Als der junge, gutaussehende, vielversprechende Mediziner mich von der Schulbank wegholte, damit ich ihm einige Monate später als seine Frau nach Sumatra folge, erhob sich im Familienkreis die Frage, wie ich am besten auf meine kommende Aufgabe vorbereitet würde. Meine Mutter insistierte, dass ich kochen lerne (möglichst viele Schweizerspezialitäten aus ihrem altväterischen, gesundheitschädigenden Kochbuch), während mein Bräutigam es vorzog, dass ich reiten lerne. Und damit war das erste Problem geschaffen. Ich hatte wohl meine eigne Ansicht, aber nicht meinen eignen Willen.

Nach kurzen, wonnevollen Tagen reiste der junge Mann voll Begeisterung nach seinem neuen Arbeitsfeld ab, und Mutter und zukünftige Schwiegermutter sorgten dafür, dass aus der von Liebe träumenden Braut wieder eine fleissige Schülerin wurde. Wie es sich für eine solche gehört, gab ich mir in den nächsten Monaten sowohl in der beglückenden Manège wie in der langweiligen Küche redlich Mühe. Es fiel mir nicht leicht, weder eine gute Reiterin, noch eine gute Köchin zu werden; ich war nämlich sehr ängstlich und behaupte heute noch, dass man die auf Nervenschwäche beruhende Ängstlichkeit in meinen ersten Lebensjahren verschuldet hat, indem man dem armen Säugling die Brust verweigerte, um ihm, der Mode gemäss, ausschliesslich pasteurisierte Kuhmilch zu reichen. [...]

Meine Ausrüstung für die Manège bestand, der Nachkriegszeit angemessen, aus einer Reithose und Jacke, verfertigt aus einem alten Jackenkleid meiner alten Tante und den Ledergamaschen eines Familienfreundes, der ebenso kurze und dünne Beine hatte wie ich. [...]

Für die Küche war die Bekleidung denkbar einfach: Dutzende von Schürzen aller Arten, Grössen und Farben lagen auch nach dem Krieg noch in den Schränken. Ich habe diese schweizerische «Nationaltracht» von jeher gehasst und war froh, nach einem Land zu emigrieren, wo es diese nicht gab. Nicht nur der Gasflamme wegen konnte ich kein rechtes Verhältnis zum Kochen finden. Mein Geschmack beschränkte sich nämlich damals auf Maccaroni mit Tomatensauce und Süsspeisen. [...]

Während ich die von meiner Mutter vorgeschriebenen Menus zubereitete, träumte ich vom Bungalow, wo braune und gelbe Bediente mir meine langweilige Arbeit abnehmen würden und wo ich am Rande des Urwaldes, hoch zu Ross an der Seite des jungen, gutaussehenden, vielversprechenden Mannes im hellen Tropenanzug durch Täler und über Hügel schweifen würde ...

In der Manège gefiel es mir bedeutend besser. Die Pferde bockten lange nicht so oft wie der Gasofen, und der Reitlehrer verstand es, mir Mut einzuflössen. Meine Glieder waren jung und passten sich dem Pferde an, und im Rhythmus der Bewegung steigerte sich die Begeisterung.
P.S., 17. Januar 2008
Schweizer Volkskunde (Korrespondenzblatt der Schweiz. Gesellschaft für Volkskunde), Dezember 2007
Heimberger Dorfbote, Januar 2008
Panorama_Indonesien-Magazin, 18. Januar 2008
Neue Zürcher Zeitung, 9./10. Februar 2008
Neue Zürcher Zeitung, 9./10. Februar 2008
Korrespondenzblatt der Schweiz. Gesellschaft für Volkskunde, Februar 2008
Berner Oberlaänder, 28. Februar 2008
Kloster Einsiedeln 2/08
Schweizer Monatshefte, Nr. 961, Mai 2008
Der Landbote, 29. Juli 2008
«Siesta» DRS 1, 13. November 2008
Lettre de penthes, printemps 2008
FAMA (Feministisch-theologische Zeitschrift) 1/09
Korrespondenzblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde, März 2009
Archipel 78, Paris, 2009
Literacycoffee, Medan, 9. Oktober 2019
Sastradunia, Jakarta, 10. Oktober 2019
StuDeO, Dezember 2020
 

«Der weitverzweigten Lebensrückblick einer Frau, die allerdings etwas zu erzählen hat. 25 Jahre verbrachte Gret Surbek mit ihrem Mann, einem Tropenarzt, in Indonesien. 1920, als neunzehnjähriger Backfisch, packt Gret ihr Bündel; ohne Auslanderfahrung bricht sie in die exotische Welt Indonesiens auf. Erst 1946 kommt sie mit ihren Kindern wieder in die Schweiz zurück. Die Surbeks erleben die holländische Kolonialzeit in Niederländisch-Indien und die Jahre der japanischen Besetzung während des Zweiten Weltkrieges. Was sich in der Kurzfassung wie ein Waschzettel liest, sind allerdings aufwühlende private Memoiren, verfasst von einer sensiblen und kritischen Frau, die das Unrecht – die Schlussphase der holländischen Kolonialherrschaft und den brutalen Asienfeldzug der Japaner – auch nach der Rückkunft nicht aus ihren privaten Annalen tilgt.» Neue Zürcher Zeitung

«Von faszinierenden, durch kritische Empathie geprägten Beobachtungen von Land und Leuten, bis hin zu einer sehr zurückhaltend beschriebenen Familientragödie, enthält dieses von der Enkelin der Autorin klug gekürzte und mit erklärenden Zwischentexten versehene Tagebuch alles, was zu einem grossen Leseerlebnis gehört.» Schweizer Monatshefte

«Sie war unerschrocken und neugierig. Die Bernerin Gret Surbek streift in Indonesien alle Vorurteile ab wie eine lästig gewordene zweite Haut. In ihren Tagebüchern lernt man eine ungewöhnlich weitherzige Frau kennen.» Der Landbote

«Es entsteht das ungewöhnliche Panorama eines aussergewöhnlichen und doch eben auch ganz gewöhnlichen Lebens.» FAMA

«Gret's memories are not a historical source in the strict sense, but they give a vivid picture of Indonesia in the last 25 years before ist independence. With its many black and white photographs and its descriptions of local customs this book is interesting to read. In her own way, Gret has been a witness to history.» Archipel, Paris

«Es ist ein beeindruckendes, mit Humor und Esprit, aber auch mit Eigenkritik und präziser Beobachtungsgabe gewürztes Zeitdokument, das man jedem Indonesien-Interessierten wärmsten empfehlen kann.»  Rosemarie Peitz-Külsen, StuDeO

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