Das Gewicht eines gewendeten Blattes /Il peso di un foglio girato
Fabio Pusterla, Stefano Raimondi, Antonio Rossi, Massimo Daviddi, Alida Airaghi, Dubravko Pusek, Pierre Lepori, Pietro De Marchi

Das Gewicht eines gewendeten Blattes /Il peso di un foglio girato

Gegenwartslyrik im Grenzraum Schweiz-Italien. Gedichte Italienisch und Deutsch

Herausgegeben von Orlando Budelacci, Thierry Greub / Übersetzt von Orlando Budelacci, Thierry Greub / Herausgegeben und übersetzt von Jacqueline Aerne / Mit einem Nachwort von Pier V Mengaldo

272 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
1., Aufl., Oktober 2004
SFr. 38.–, 38.– €
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978-3-85791-461-4

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Ueber die Grenzen hinweg - Italienische Lyrik von Lausanne bis Mailand, von Zürich bis Mendrisio.
In einer repräsentativen Auswahl von acht der wichtigsten, nach 1950 geborenen, zeitgenössischen DichterInnen des Grenzraumes Schweiz - Italien soll zum ersten Mal das überaus fruchtbare und interessante Schaffen dieser Generation mit über 100 Gedichten in einer zweisprachigen Ausgabe vorgestellt werden.

Orlando Budelacci

Orlando Budelacci

Orlando Budelacci, geboren 1972, Studium der Philosophie, Kunst- und Rechtswissenschaften an der Universität Basel.

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Thierry Greub

Thierry Greub

Thierry Greub, geboren 1970, Studium der Kunstgeschichte, Germanistik, Philosophie an der Universität Basel.

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Fabio Pusterla
© Archiv Marcos y Marcos

Fabio Pusterla

Fabio Pusterla, geboren 1957 in Mendrisio und Studium in Pavia, lebt in Norditalien und unterrichtet in Lugano am Gymnasium italienische Literatur. Er ist Lyriker, Essayist und Übersetzer aus dem Französischen und dem Portugiesischen, war Mitherausgeber der Zeitschrift «Idra». Mit seinem ersten Gedichtband «Concessione all'inverno» 1985 wurde er schlagartig bekannt. Aus dem Französischen hat er ein Grossteil des Werks von Philippe Jaccottet übersetzt.

Fabio Pusterla erhielt 1986 für sein Debüt den Premio Montale. Auch sein weiteres Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Premio Prezzolini und dem Premio Metauro, dem Gottfried Keller-Preis oder dem Vito Moretti Preis für sein Lebenswerk (siehe Bibliografie).

Porträt des Schriftstellers, SRF 1998: «Fabio Pusterla»

Dokumentarfilm von Francesco Ferri, 2018: «Libellula gentile – Fabio Pusterla»

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Pietro De Marchi

Pietro De Marchi, geboren 1958 in Seregno (Mailand), lebt seit 1984 in Zürich und lehrt dort italienische Literatur an der Universität. Er schreibt Gedichte und Kurzprosa. 1999  erschien der Gedichtband «Parabole smorzate e altri versi» mit einem Vorwort von Giorgio Orelli. Für seinen Band mit Gedichten und Prosastücken «Replica» erhielt er den Schillerpreis und eine kulturelle Auszeichnung des Kantons Zürich. «Das Orangenpapier / La carta delle arance» wurde mit dem Gottfried-Keller-Preis 2016 ausgezeichnet.

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Jacqueline Aerne

Jacqueline Aerne

Geboren 1964, wuchs dreisprachig in Ascona auf. Studium der Italianistik, Kunstgeschichte und Germanistik an den Universitäten Basel und Bologna. Seit 1996 als freie Übersetzerin tätig. Verschiedene Lehraufträge für Italienisch und literarische Übersetzung.

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Inhalt

Vorwort von Jacqueline Aerne

Stefano Raimondi
1964 in Mailand geboren, lebt und arbeitet dort. Studium der Philosophie. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft an der Universität Mailand-Bicocca. Arbeiten zu Philippe Jaccottet, Yves Bonnefoy, René Char, Paul Celan, Sylvia Plath, Nelly Sachs und Nicolas de Staël. Mitarbeiter der Zeitschriften «Poesia» und «Pulp Libri». Gehört zu den Gründern von «Materiali di Estetica» . Seine Gedichte erschienen unter anderem in den Zeitschriften «Nuovi Argomenti», «Idra», «Atelier», «Galleria» und «Tratti».

Fabio Pusterla
1957 in Mendrisio geboren, lebt zwischen Lugano und Albogasio (Italien). Studium in Pavia. Er unterrichtet in Lugano am Gymnasium, ist Essayist und Übersetzer aus dem Französischen und dem Portugiesischen, war Mitherausgeber der Zeitschrift «Idra». Aus dem Französischen hat er ein Grossteil des Werks von Philippe Jaccottet übersetzt.

Antonio Rossi
1952 in Maroggia (Lugano) geboren. Studium der Italienischen Literatur in Fribourg und Florenz, Abschluss mit einer Arbeit über Serafino Ciminelli aus Aquila (1466-1500). Unterrichtet am Gymnasium in Mendrisio. Seine Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden behandelten die Volkslyrik der Frührenaissance, Barockpoesie und zeitgenössische Autoren. Mitherausgeber der Zeitschrift «Idra» und Übersetzer von Robert Walser, Niklaus Meienberg und Hertha Kräftner.

Massimo Daviddi
1954 in Florenz geboren, lebt zwischen Mendrisio, Varese und Mailand. Er hat mit einer Dissertation über den Tod in der gegenwärtigen Kultur das Studium an der Universität Urbino abgeschlossen. Seit mehreren Jahren arbeitet er in einer Organisation für Erwachsenenbildung. Zu diesem Thema hat er mehrere Arbeiten veröffentlicht. 2004 erscheint bei Casagrande in Bellinzona ein neuer Gedichtband.

Alida Airaghi
Geboren 1953 in Verona. Studium der Altphilologie in Mailand, unterrichtete in Zürich von 1978 bis 1992. Sie lebt in Garda und Verona.

Pietro De Marchi
Geboren 1958 in Seregno (MI). Literaturstudium in Mailand und in Zürich, wo er seit 1984 lebt. Er ist Privatdozent für Italienische Literaturwissenschaft an der Universität Zürich und lehrt zurzeit an den Universitäten Neuenburg und Genf.

Pierre Lepori
1968 in Lugano geboren, Literaturstudium an der Universität Siena. Lebt heute in Lausanne, wo er als Korrespondent für das Schweizer Radio Rete Due arbeitet. Chefredaktor der Italienischen Abteilung des Theaterlexikon der Schweiz der Universität Bern. Hat aus dem Französischen Anne-Lou Steininger, Monique Laederach und Julien Burri übersetzt. 2004 erhielt er den Schillerpreis.

Dubravko Pušek
Geboren 1956 in Zagreb. Er lebt seit 1966 in Lugano und arbeitet dort für das Radio der italienischen Schweiz Rete Due. Herausgeber der Gedichtbandreihe «Laghi di Plitvice».

Postfazione di Pier Vincenzo Mengaldo
Anmerkungen
Verzeichnis der Gedichte

Zur Auswahl und Übersetzung

Jeder Auswahl sind subjektive Grenzen gesetzt. Dies gilt in erhöhtem Mass für eine Anthologie, deren Ausgangspunkt die Auflösung von Grenzen darstellt. Deshalb haben die Übersetzer mehrere Selektionskriterien definiert. Einerseits wurden nur Schriftsteller berücksichtigt, die nach 1950 geboren sind, um eine unpolitische und doch prägnante Zäsur zu erhalten. Die Jahrhunderthälfte bietet sich als Wendepunkt an, weil sich von da an im Grenzraum Schweiz Italien eine neue, eigenständige Dichtergeneration herauskristallisiert hat. Seit dieser Zeit beginnt sich diese Lyrik nicht mehr über einen nationalen Raum, sondern über die italienische Sprache und die gemeinsamen Prämissen moderner Dichtung zu bestimmen. Andererseits sollte das lyrische Schaffen einen eindeutigen Konnex zur Italienischen Schweiz aufweisen. Da das Tessin kulturell und sprachlich derart stark mit Italien verbunden ist, haben auch Autoren, die in Norditalien geboren wurden und einen engen Bezug zur Südschweiz besitzen, Aufnahme in die Anthologie gefunden. Neben der Qualität der Dichter und der angestrebten Vielstimmigkeit war deshalb auch der Publikationsort Tessin wichtig – zuvorderst das Verlagshaus Casagrande in Bellinzona. Ausschlaggebend für die Auswahl der Lyriker war weniger deren Staatsbürgerschaft, obwohl ein deutliches Übergewicht an schweizerischen Autoren vorliegt, sondern viel stärker – dem Grenzen aufhebenden Thema und somit dem Sinn der Anthologie gemäss – das Wirken und Schaffen im südschweizerisch-norditalienischen Raum.

Entstanden ist die Anthologie in der Zusammenarbeit dreier Freunde mit einem Ziel. Jeder hat seinen spezifischen Anteil zur Verwirklichung beigetragen. Das Credo der Übersetzer versteht sich in erster Linie als Dienst am italienischen Original. Den einzelnen Wortlaut, den Bau jedes Verses bis hin zum Gesamtklang des Gedichtes galt es zu bewahren. Es wurde nichts ergänzt, weggelassen oder umgedichtet. Die Übersetzungen möchten zuerst Hilfestellungen hin zum Original sein, was sich bei einer zweisprachigen Ausgabe mit beiden Texten parallel nebeneinander idealerweise anbietet. Die gedichtete Identität von Inhalt und Form wurde möglichst in Tuchfühlung mit dem Original belassen, selbst bei schwierigen Stellen. Eine Wendung, wie Pusterlas Montalereferenz «volare il falco altamente», wurde so wortwörtlich mit «der Falke hoch oben fliegen» wiedergegeben. Den Klang, den Rhythmus und das atmosphärische Zittern eines jeden Gedichts haben wir als Fremdes in die neue Zielsprache übertragen. Im Deutschen, das viel weniger phonetische Gleichklänge aufweist, wurde nur dann ein Reim verwendet, wo er sich zwanglos ergab. Die vorliegende Übersetzung versteht sich als Leiter zum Original – zugleich sollen die übersetzten Gedichte aber auch für sich bestehen und verstanden werden können. Die Übersetzung möchte sowohl Werkzeug als auch Werk sein, das in eigenständiger Wiedererkennbarkeit und angestrebter Wirkäquivalenz für sich neben dem italienischen Original steht.

Antonio Rossi

Traghetto sul Reno

Rheinfähre

Stavamo ancora chiedendoci come mai

il drago del Rathaus fosse per rapporto a San Giorgio

e alla lancia che aveva confitta in gola

a tal punto esiguo da sembrare un sauro inferiore,

un animaletto ridicolmente vincibile,

e per quale motivo simili proporzioni

fossero state ripetute secoli più tardi

in una statua che incontrammo al di là degli empori

quando variopinto ci apparve, sorretto da una fune

e affollato di gitanti, il traghetto sul Reno.

Wir fragten uns noch, warum

der Drache des Rathauses im Verhältnis zum Heiligen Georg

und zur Lanze, die in seinem Rachen steckt,

derart klein war, dass er ein unbedeutender Saurier schien,

ein lächerlich besiegbares Tierchen,

und aus welchem Grund solche Proportionen

Jahrhunderte später bei einer Statue

wiederholt wurden, der wir jenseits der Emporen begegneten –

da erschien, bunt, gehalten von einem Seil

und überfüllt mit Ausflüglern, die Rheinfähre.

Der Bund, 27. Oktober 2004
Die Zeit, 16. Dezember 2004
Buchtipp Radio 32, 16. Dezember 2004
Basler Zeitung, 18. Dezember 2004
Aargauer Zeitung, 30. Dezember 2004
Welt der Frau. Die österreichische Frauenzeitschrift, 4/2005

«(...) Der Zürcher Limmat Verlag macht seit vielen Jahren schöne Bücher, ein herausragend intelligentes Programm, wir haben schon des Öfteren sein Lob gefiedelt. Jetzt ist hier eine Anthologie erschienen, die eine etwas mühselige Bezeichnung trägt: /Gegenwartslyrik im Grenzraum Schweiz Italien; der Titel ist umso schwereloser: ‹Das Gewicht eines /gewendeten Blattes / Il peso di un foglio girato›.
Acht Autoren werden vorgestellt - allesamt nach 1950 geboren -, die in der südlichen Schweiz oder im nördlichen Italien leben (oder mal in Italien und mal in der Schweiz leben oder gelebt haben) und ihre Gedichte auf Italienisch schreiben. Ihre Wege kreuzen sich allesamt im Tessin, insofern könnte man auch von Tessiner Literatur sprechen. Das allerdings mag provinziellen Beiklang haben - was völlig abwegig wäre: denn wenn diese Lyrik etwas nicht ist, dann provinziell.
Es sind erstaunliche Texte respektive Autoren. Einer von ihnen, Fabio Pusterla, ist im deutschen Sprachraum (dank Limmat!) kein Unbekannter, die meisten anderen Namen dürften dem deutschen Leser weniger vertraut sein.
Acht verschiedene Wege, Stile sind hier versammelt, das verstehtsich von selbst. Und doch gibt es Gemeinsames, wie die Herausgeber und Übersetzer Jacqueline Aerne, Orlando Budelacci und Thierry Greub bemerken: Es ist die Erfahrung der Grenze, der Sprach- und der Staatsgrenze, der sozialen Grenze, und das Verschwinden oder die Querung all dieser Grenzen in der Landschaft, in der Begegnung, der Bewegung. Es ist die Erfahrung von Endlichkeit und Auflösung aller Enden und Ränder. Es ist die Wahrnehmung der Linien, Wege, Zäune, Geleise. Der Übergänge, Nähte, Brücken. (...)» Die Zeit

«Die Verdienste des Limmat Verlags um die Lyrik aus dem Tessin sind bekannt. Wer sich für moderne Lyrik interessiert, kennt die wunderbaren Bände von Giorgio und Giovanni Orelli oder jenen von Fabio Pusterla. Mit dem Buch ‹Das Gewicht eines /gewendeten Blattes / Il peso di un foglio girato› übertrifft sich der Verlag nun selbst. (...) Diese wenigen – jeder eine Entdeckung für sich – sind daher dafür mit einer entsprechend grösseren Auswahl an Gedichten vertreten, sodass sich der Eindruck erhärtet, in einem Buch gleich acht Lyrikbände zu finden.» Aargauer Zeitung

«Der sorgfältig gemachte zweisprachige Band füllt eine Lücke, macht Grenzen durchlässiger. Auch sprachliche.» Basler Zeitung

«Die ‹Ticinesità› wurde als literarische Kategorie zunehmend irrelevant, und an deren Stelle traten Wesenszüge wie ein bloss noch territoriales, elementares (und nicht politisches oder sentimentales) Verhältnis zur Landschaft, die Entfremdung, ja das ‹Nichtzugehörigkeitsgefühl› zum früher als heimatlich empfundenen Raum sowie ein ausgeprägtes Sensorium für die Stereotype der Grenzsituation: Bewegung, Transit, Übergang, aber auch Veränderbarkeit, Gefährdung, Reduktion auf Spuren und Fragmentarisches.
Die acht Autoren, die Orlando Budelacci, Jacqueline Aerne und Thierry Greub auf akribisch exakte und dennoch liebevoll einfühlsame Weise in anonymer Zusammenarbeit übersetzt haben, belegen die zugrunde gelegte poetologische These mit ihren parallel auf Deutsch und Italienisch präsentierten Gedichten auf wundervoll adäquate Weise, und zwar ohne dass man auch nur einen Augenblick auf den Gedanken käme, die Auswahl sei bewusst als Illustration dazu getroffen worden. (...)» Charles Linsmayer, Der Bund

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