Diesem Volke ist jeder Tag ein Fest
Georg F Hoffmann

Diesem Volke ist jeder Tag ein Fest

Frankfurt um 1830 aus der Sicht eines Baslers

Mit Texten von Paul Hugger / Einführung und Anmerkungen von Roman Fischer

Das volkskundliche Taschenbuch [34]

110 Seiten, Broschur, 31 Bilder // Nur noch letzte RESTEXEMPLARE aus dem Verlagsarchiv, bitte wenden Sie sich an den Verlag.
1. Aufl., September 2003
vergriffen
978-3-85791-443-0

Georg Hoffmann weilte von 1828 bis 1831 in Frankfurt und berichtet, zurück in Basel, über das gesellschaftliche Leben in der damals für den Handel bekannten Stadt. Mit Ironie und stilistisch ambitioniert beschreibt er nicht nur das wichtigste Fest im Jahresgang, den «Wäldchestag», sondern auch die Pfingstfeiertage, die Lustfahrten und -ritte nach Wilhelmsbad, Bornheim und Königstein, die Messen, die Herbstfeier, das öffentliche Promenieren, die Spielsucht und andere Modeerscheinungen der Zeit.

Hoffmann schreitet nicht den ganzen Kreis der geselligen und musischen Vergnügungen ab, er wählt aus. Er bietet uns ein Panorama des Geselligen «sui generis», setzt eigene Akzente, und er führt uns einfühlend das Leben und Treiben eines sympathischen Biedermeiervolkes vor, verspielt, eigenwillig und so gar nicht materialistisch ausgerichtet, dabei kommt sein baslerischer Humor nicht zu kurz.

Paul Hugger
© Yvonne Böhler

Paul Hugger

Paul Hugger, 1930–2016, Studium der Volkskunde, Ethnologie und Romanistik, em. Ordinarius für Volkskunde an der Universität Zürich. Zahlreiche Publikationen über Schweizer Fotografen, zur Alltagsfotografie, Herausgeber u. a. des Handbuchs der Schweizerischen Volkskultur, «Kind sein in der Schweiz. Eine Kulturgeschichte der frühen Jahre», Herausgeber der Reihe «Das volkskundliche Taschenbuch» und Mitherausgeber «FotoSzene Schweiz» im Limmat Verlag.

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«Guckkastenbilder»

Ein Wort zum Geleit

Der Zufall spielte mir ein schmales Bändchen in die Hände – ein Zufall namens Hansjörg Auer –, ein Büchlein, dunkelbraun, mit feinem Leder überzogen und auf der Front- und Rückseite je eine rhombenartige Prägung aufweisend. Die Seiten, aus leicht gelb getöntem Papier, sind mit feiner, ja feinster Schrift besetzt, so dass man bei den Fussnoten fast zur Lupe greift. Der Autor muss nicht nur ausgezeichnete Augen gehabt haben, sondern auch eine grazile Hand, um so zierliche und doch schwungvolle Lettern mit dem Gänsekiel zu ziehen. 118 Seiten sind beschriftet, weitere Seiten mit Bleistift liniert. Korrekturen sind kaum vorhanden, nichts ist gestrichen, nirgends ein Wort weggekratzt.

Der Titel, kalligraphisch gestaltet, lautet «Bildliche Darstellungen aus dem bürgerlichen Leben zu Frankfurt am Main», und der Verfasser hat unter dem Namen der Stadt ein Fries von Weinreben angebracht, als Hinweis wohl auf die damalige Weinseligkeit der Bewohner, deren Stadt noch mitten in Rebbergen lag.

Da schreibt also einer über Feste, präziser gesagt über das Leben und Treiben einer deutschen Kleinstadt zu Zeiten der Musse. Er tut dies – wie kann es anders sein – aus subjektiver Sicht, mit eigenen Wertungen, die ihm Herkunft, Temperament und Charakter eingeben. Dahinter steht unbewusst die Vorstellung, dass sich im festlichen Treiben vieles vom wahren Wesen einer Stadt enthüllt, ein durchaus moderner Gedanke. Hoffmann schreibt den Text als junger Mann, der wohl ein Volontariat in der Fremde absolviert. Er ist kein Wissenschafter, weder Soziologe noch Volkskundler. Auch stehen ihm kaum Vorbilder zur Verfügung, wie man ein solches Stadtporträt angeht. Offensichtlich handelt es sich um einen sensiblen Menschen mit künstlerischen Neigungen, wie wir aus der spärlich dokumentierten Biografie wissen. Das belegt schon die Sprache, die manchmal sehr poetisch wird, so wenn er eingangs das entzückende Erlebnis des Frühlings schildert. Hoffmann zeigt das Frankfurter Leben in Bildern, wie er im Titel zu erkennen gibt. Er will keine systematische Beschreibungen vorlegen, sondern vielmehr Tableaux, die ihm in unterschiedlichem Mass gelingen. Sie sollen das Andere, Fremdartige vorführen, wodurch sich das Frankfurter Leben von dem der Heimatstadt Basel unterscheidet.

Viele Beschreibungen, etwa die des Wäldches Tages, erinnern denn auch an die Bilder von zeitgenössischen Kleinmeistern. Eine landschaftliche Szenerie wird vordergründig mit Figuren belebt, die Hoffmann stilisiert und typisiert. Er denkt sich in diese Figuren hinein, beschreibt ihre Gefühle und Aspirationen. Das kann mit Ironie oder tadelnder Missbilligung geschehen, dort etwa wo Geld in den Augen des Baslers, der von seiner Erziehung her an haushälterischen Umgang gewohnt ist, zu leichtsinnig ausgegeben wird oder wo die Spiel- und Trinkfreude überbordet. Wenn sich aber die Frankfurter «unschuldigen» Vergnügungen hingeben, spüren wir die Sympathie des Verfassers, ja zuweilen eine eigentliche Faszination, wie etwa angesichts der Feerie der nachts mit zahllosen Lichtern beleuchteten Landhäuser. Hier fragt denn auch der Basler nicht mehr nach den Kosten.

Hoffmann schreitet nicht den ganzen Kreis der geselligen und musischen Vergn ügungen ab; er wählt aus. Er bietet uns ein Panorama des Geselligen «sui generis», setzt eigene Akzente, bald liebevoll, bald distanziert oder stirnrunzelnd. Zudem ist sein Text wohl ein Torso geblieben. Trotz dieser Einschränkungen hat das Büchlein seinen Reiz. Es führt uns im eigentlichen Sinne des Wortes ein Biedermeier – Völklein vor, verspielt, eigenwillig und so gar nicht materialistisch ausgerichtet. Das «kapitalistische» Denken hat sich noch nicht durchgesetzt. So bietet der Text einen Lesegenuss, trotz der etwas umständlichen Sprache – auch sie gehört zum Zeitstil –, und manche Erkenntnis so nebenbei, etwa wenn Hoffmann bei den Ausflügen nach Königstein «vom blühenden Aufkommen der Mode, ins Gebirge zu gehen» spricht. Er selber – damals noch ein junger Mensch – wurde in Basel ein stadtbekannter Alpinist. Und so passt es denn auch in den Zusammenhang, wenn das bescheidene, aber adrette Manuskript Hoffmanns im Archiv der Sektion Basel des Schweizerischen Alpenclubs lag, deren Mitglied er war.

Damit wäre ich beim Danken. Zunächst geht der Dank an Hansjörg Auer, Basel, der als Bibliothekar der Sektion das Büchlein vermittelte, an Walburga Kamm, die mit mir die Transkription vornahm, an Christoph E. Hoffmann, Riehen, der biografische Angaben zum Autor beisteuerte, sowie W. Fricker, Bern. Vor allem aber danke ich Roman Fischer vom Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt, der den Text in den Gesamtrahmen des damaligen Festhorizonts von Frankfurt stellt und mit grosser Sachkompetenz die entsprechenden Erläuterungen gibt. Wie oft bei unseren Publikationen haben wir einen anderen, marktgerechten Titel gewählt, im übrigen uns aber genau an das Manuskript gehalten.

Chardonne, Frühsommer 2003 Paul Hugger
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