Hektische Helden
Wolfgang Bortlik

Hektische Helden

Roman

152 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
August 2002
vergriffen
978-3-85791-409-6

Schlagworte

Literatur
     

Zum wievielten Mal remittiert nun Buchhändler Helfenstein die rechtslastige Zeitschrift «Okzident»? Am liebsten hätte er die ekelhafte Ware in den Abfall geworfen. Dann wird er auch noch von einem Junkie in die Hand gebissen. Die HIV-Profilaxe heisst Crixivan und Combivir.

Er schluckt sie mittels Whisky. Schliesslich wurde der Ärmste gerade von seiner Freundin verlassen. Dann entdeckt er auch noch, dass ein ehemaliger Studienfreund Schriftleiter des «Okzident» ist. Ein alter Genosse! Der benebelte Held zieht in den Kampf gegen einen ländlichen Financier der Rettung des moralischen Abendlandes, einen städtischer Anwalt samt engagierter Schlägertruppe, einen parlamentarischen Waschlappen auf rechten Schleichwegen sowie fremde und eigene Liebesschmerzen.

Wolfgang Bortlik
© Werner Rolli

Wolfgang Bortlik

Wolfgang Bortlik ist 1952 in München geboren und mit 13 Jahren ins Schweizer Mittelland gezügelt, woran er erst ziemlich gelitten hat — aber das wird später einmal belletristisch behandelt.

Im Laufe der Zeit Gewöhnung an die Schweiz, ja sogar zarte Gefühle für das sozial gut abgefederte Ländchen. Matura in Aarau, dann Studium der Geschichte, der Publizistik und anderem in München und Zürich. Abgang ohne Abschluss. Stattdessen Lohnarbeit als Buchhändler, nebenher Herausgeber der anarchistischen Untergrundpostille «Der Alpenzeiger» und Versuche als Verleger, Lektor, Übersetzer, Literaturkritiker sowie Musiker aus dem Geiste von 1977.

Seit 1993 in Basel wohnhaft, verheiratet, drei Kinder und zuvörderst als Hausmann tätig. Um nicht zu verblöden vielfältige literarische Arbeit: wöchentliche Kolumnen und Sportgedichte, Satiren, Rezensionen. Mehrere CDs mit Wort und Musik.

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Was hätte Rockwenzel ...

Was hätte Rockwenzel nicht für einen Schuss Rum in das Gebräu gegeben. Aber die Frau ihm gegenüber, Hölle, er brauchte sie bloß anzusehen und schon kochte es hoch in seinem Unterleib. Frau Helene Burckhardt-Hallauer stellte die Teetasse ab, erhob sich, kam äußerst lasziv auf Rockwenzel zu und kniete sich vor ihn hin.

«Heute bin ich dran, mein Lieber, lehn dich zurück!»

Eine Viertelstunde später lag Rockwenzel wieder auf seinem Bett und dachte, dass es so nicht weiter ging mit Helene. Er konnte diese Frau nicht ausstehen, wie sie ihn verrückt machte, seit drei Jahren jetzt schon oder mehr.

Sein Handtelefon heulte auf. Also, da sei ein Zitat im neuen «Okzident», das könne keinesfalls stimmen! Niemals, denn da heiße es im Original keineswegs Urnengang, sondern Waffengang, schnappte eine halbhohe Altmännerstimme am anderen Ende der Leitung. Der Alte!

Moment, Moment. Rockwenzel schnippte die zerschmetterte Stechmücke vom Umschlag und blätterte nach. Oho, ein Artikel vom Präsidenten der «Vereinigung für eine unabhängige Schweiz», einem gewissen Fick oder Fack. Der war also nicht ganz bibelfest, Pech für ihn! Der alte Hallauer würde ihn fertig machen.

«Waffengang heißt das im Original», koberte der Alte weiter, «Waffengang, nicht Urnengang!»
Rockwenzel versuchte zu beruhigen. Es gehe dem Verfasser des Artikels mit seinem Zitat doch wahrscheinlich nur um die politische Legitimität.

«Wohl um Demokratie, was?», heulte der Alte erneut auf. «Um die Brüllmasse, Volk genannt, um politische Rechte für den Pöbel, für das Ungeziefer, die Quecken, die Quitten, die, ach was!»

Der alte Hallauer dreht langsam durch, dachte Rockwenzel, als er unter der Dusche stand. Das war ja nicht mehr nur das Ancien Regime, der Ständestaat, sondern die politische Diktatur, die der mittlerweile befürwortete. Wahrscheinlich heulte er jetzt gerade Dr. Fickfack die Ohren voll über das Sakrileg, ein Zitat von Robert de Traz oder Emil Sonderegger oder von welcher Ikone der elitären Rechten dieser Knittelvers auch immer war, gefälscht zu haben. Dann aber fiel Rockwenzel bei der peniblen Säuberung seines Intimbereichs plötzlich ein, dass es äußerst nett gewesen wäre, wenn Helene sich bei ihm in der Dusche befunden hätte.

Frau Helene Burckhardt-Hallauer stakste unterdessen, nach kurzem Aufenthalt im höchst erfreulichen Villengarten, mit einem Büschel prächtiger Möhren, Daucus carota, Sorte Karotan, zu ihrem im Wald geparkten Auto. Sie hatte die Vorliebe ihres Ehebrechers für bodenfrischen Karottensalat übernommen. Rockwenzel hatte ihr anzüglich lächelnd von der tausend Jahre alten Kulturpflanze aus der Familie der Umbelliferae, der Doldenblütler, erzählt. Einskommavier Millionen Tonnen würden von diesem weltwirtschaftlich recht wichtigen Gewächs jährlich geerntet.

Helene fühlte sich gut. Es war erstaunlich, wie viel Spaß es ihr immer noch mit Rockwenzel machte. Vor allem, wie viel Spaß es ihr machte, ihren Mann zu betrügen. Bald drei Jahre ging das jetzt schon mit Edgar, und niemand hatte etwas bemerkt. Nicht einmal ihr Vater, das misstrauische, paranoide alte Stinktier. Helene erschrak über ihren Gedankengang. Das war Rockwenzels Einfluss, diese Respektlosigkeit, mit der er die Ehe der Tochter seines Arbeitgebers brach, mit der er das einzige Kind seines Mentors, hm, nun ja, man konnte es nicht anders sagen: vögelte. Am liebsten wäre Helene umgekehrt und hätte sich in Edgars Arme geworfen, aber ihr Töpferkurs ging ja nur bis vier Uhr und Vater erwartete sie sicher zum Fünfuhrtee. Sie zog ihre hochhackigen Schuhe aus und tappte vergnügt über das kühle Laub zum Gehölz, hinter dem ihr Roadster stand.

WochenZeitung WoZ, 10. Oktober 2002
Aargauer Zeitung, 21. November 2002
Swiss Teletext SF 2, 19. Dezember 2002
ProgrammZeitung Basel, Januar 2003
Junge Welt, 12. Februar 2003
Lesen & Leute, Februar 2003
Bieler Tagblatt, 22. März 2003


«Bortliks geraffte, rasante Schilderungen zeigen Biss.» Aargauer Zeitung

«Die fein ziselierten Macken der skurrilen Protagonisten bilden den höchst vergnüglichen Rahmen für ein ernstes Thema: den auch in der Schweiz vorhandenen Rechtsradikalismus.» Lesen & Leute

«Rasante und witzige Prosa mit politischem Hintergrund, mit einer gehörigen Portion jener selbstironischen und komisch illusionslosen Nostalgie, die Bortliks lange Prosa so lesenswert macht.» Berner Zeitung

«Bortlik geht schonungslos mit den rechten Eidgenossen ins Gericht, macht sich aber auch über die linken Genossen lustig, die ihre politische Gesinnung wohlmöglich doch nur dem guten russischen Wodka verdanken. Der Autor nimmt seine Figuren sehr genau unter die Lupe, zeichnet ihre Charaktere nach - überzeichnet sie schliesslich gnadenlos und unterstreicht damit lediglich die Gültigkeit und Existenz seiner Figuren. Bortliks präzise Beobachtungsgabe verschont niemanden und lässt kaum ein gutes Haar an seinen Protagonisten. Dabei bleibt ‹Gut› und ‹Böse› doch immer überschaubar, und Bortliks hektische Antihelden dürfen sich im Kampf gegen die braune Gefahr profilieren.» WochenZeitung WoZ

«Der Autor hält seinen leichten, geradezu amüsierten Erzählton durch und verzichtet weitgehend auf den moralischen Zeigefinger, was die Lust an der Lektüre noch erhöht. In Anbetracht von Bortliks gründlicher Recherche, die in der skurrilen Satire ‹Hektische Helden› permanent die Dimension der Realität durchblicken lässt, bleiben einem die Lacher aber schliesslich doch des Öfteren im Halse stecken.» WochenZeitung WoZ

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