Drei Häuser
Maria Colombo

Drei Häuser

Eine Jugend im Engadin

220 Seiten, Leinen
Februar 2003
SFr. 39.–, 39.– €
sofort lieferbar
Die Erstausgabe erschien 1977 im Werner Classen Verlag unter dem Titel «Die Borgeser sind da»
978-3-85791-421-8

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Schlagworte

Engadin
     
«Bemerkenswert poetische Sprache.» NZZ

«Polentaköpfe» werden sie gerufen, die Borgeser. Sie sind über den Berg nach Puntraglia gekommen, nur grad aus dem benachbarten Tal. Aber sie sprechen nicht Deutsch, sondern Italienisch.

Der Roman spielt im Pontresina der Dreissigerjahre. Die Borgeser sind aus dem italienischsprachigen Bündnertal Puschlav gekommen. Sie wohnen in drei Häusern beim Bahnhof, zwanzig Minuten vom Dorf entfernt. Der Vater der Ich-Erzählerin aber hat viel vor. Der Tourismus hat Fuss gefasst, und er beginnt Zimmer zu vermieten. Er übernachtet mit den Kindern im Estrich, wo sie sich still halten müssen, um die Ruhe der Gäste nicht zu stören.

In einer Sprache von eigenwilliger Schönheit beschreibt Maria Colombo liebevoll eine Kindheit im Engadin und das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen. Sie erzählt von Alltag und Festen, von Arbeit und Spiel, von allerlei Leuten an allerlei Orten, von kindlichem Glück und erster Liebe, von Behütetsein und Sehnsucht, aus der Enge auszubrechen.

Maria Colombo
© Limmat Verlag

Maria Colombo

Maria Colombo, 1918 bis 1993, aufgewachsen in Pontresina, Kantonsschule und Lehrerseminar in Chur, Studium an der Universität Zürich, Tätigkeit als Journalistin, Sekretärin und Sachbearbeiterin. 1977 erschien Maria Colombos erstes Buch, «Die Borgeser sind da», 1984 das zweite, «Die Borgeserin». Sie starb 1993 nach langer Krankheit in Zollikon.

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Mit diesem Kartoffelsalat ...

Mit diesem Kartoffelsalat verhielt es sich folgendermaßen: jede Mutter war es zwar, die ihre Kartoffeln kochte, so viele, als sie für ihre Familie benötigte, Frau Flockenbart aber war es, die alles weitere besorgte, und unsere Mà durfte ihr dabei behilflich sein.

«Ihr Borgeser versteht zwar etwas von risotto, ris cönsch, polenta, tagliatelle, pizzöcar, aber nichts, rein gar nichts versteht ihr von dem, was ein Kartoffelsalat sein kann und sein muss», so behauptete sie jedes Jahr wieder, so dass am Samstagabend auf acht Uhr alle Mütter ihren Tribut an gekochten, heißen, noch nicht geschälten, mit einem Tuch zugedeckten Kartoffeln herbeibringen mussten. «Die Kartoffeln müssen heiß in die Sauce geschnitten werden, damit diese von ihnen eingesaugt werden kann, und nur wenn die Scheiben nicht zu dünn und aber auch nicht zu dick sind, gibt es den richtigen, saftigen, aber nicht tranigen Kartoffelsalat.»

«Jaja, meine lieben, törichten, schwachköpfigen Borgeser, den richtigen Kartoffelsalat, nicht trocken und nicht staubig, nicht sauer und nicht süß und nicht ranzig, kurz, den echt züchinesischen, aromatischsten, himmlischsten tartüfulisalat kann nur ich, die Flickenfleckenflockenbart, anmachen ...», und das war Enrica, die Frau Flockenbart nachahmte. Die beiden konnten sich nämlich gegenseitig nicht ausstehen, denn sie, die Flockenbart, sagte zu Enrica immer nur ti barasel.

Und so war es an jenem Abend nur unsere Mà, die in die Wohnung von Frau Flockenbart hinauf durfte, um dieser beim Kartoffelschälen und -schneiden behilflich zu sein. «Nur die Maria» – das war unsere Mà – «ist flink und willig genug, um mir die Kartoffeln so heiß wie ich sie haben will in die Sauce zu schneiden», so behauptete Frau Flockenbart, und selbst wir Kinder hatten das dunkle Gefühl, da stecke etwas dahinter, der wahre Grund, dass sie an diesem Abend niemanden anders bei sich haben wolle, müsse ein anderer sein, und erst Jahre später, nachdem Herr Flockenbart sich das Leben genommen hatte, begann ich zu begreifen, dass es seine Gemütszustände gewesen sein müssen, die schon damals auf ihr lasteten und sie die Gelegenheit benützte, um wieder einmal ausgiebig mit unserer schweigsamen Mà davon zu reden.

Und so schälte und schnitt unsere Mà an jenem Abend bis nach Mitternacht Kartoffeln, und Frau Flockenbart rührte sie ein in ihre mit Sonnenblumenöl zubereitete Sauce. Denn: «Jeder Kartoffelschnitz muss eine richtige Legierung mit der Sauce eingehen, diese aber geht er am besten ein, wenn die Sauce Sonnenblumenöl enthält», so sagte sie, und kein Mensch wusste, nicht einmal ihr Mann, woher sie das Wort Legierung hatte, vielleicht, da sie die italienische Sprache liebte, vom Wort legare, aber darin waren wir uns alle einig, dass etwas daran war an diesem Kartoffelsalat, und dass keine ihn so würzig und feucht anzumachen verstand wie sie.

Bündner Bauer, Januar/Februar 2003
Mittelland Zeitung, 21. Mai 2003
Schweizer Buchhandel, Juni 2003
Terra Grischuna, Juni 2003
P.S., 17. Juli 2003
Schweizer Familie, 31. Juli 2003
Coopzeitung, 19. November 2003
Neue Zürcher Zeitung, 05. Juni 2008
Bündner Monatsblatt, 02/2023


«Die stille, duldsame und doch charakterstarke Mutter in ‹Drei Häuser› sieht sich mit einer wachsenden Gästeschar konfrontiert, die sie allein zu bekochen und zu versorgen hat, während der Vater als Kondukteur bei der Bernina-Bahn viel Zeit und Musse hat, auszuhecken, wie man den Gastbetrieb beständig ausbauen und erweitern könnte.» Neue Zürcher Zeitung

«Colombos Sprache lebt von einer eigenwilligen Schönheit. Eine authentische Geschichte, die uns ein Kind nahe bringt, das zwischen zwei Kulturen aufwuchs, zwischen einem Elternpaar, wo nicht nur Liebe, sondern Krankheit und Bösartigkeit des Vaters den Alltag prägt, das Kind ängstigt. Später wird die Tochter sich durchsetzen und das Lehrerinnenseminar in Chur besuchen, wird sich mit andern Lebensfragen, mit Religion und mit einer unglücklichen Liebe auseinander setzen müssen. So wie die Distanz zum Vater bleibt, so bleibt die alles umfassende Liebe zur Mutter. Ein Leben, nicht ohne Leiden, eindringlich und schlicht geschildert.» Mittelland Zeitung

«25 Jahre nach dem Ersterscheinen legt der Limmat Verlag Maria Colombos erstes Buch neu auf. Aus gutem Grund: Die Geschichte einer Familie, die in den Dreissigerjahren aus dem Puschlav ins Engadin auswanderte, berührt bis heute - auch wegen der eigenwillig schönen Sprache. ‹Polentaköpfe› nannte man die Familie im Engadin abschätzig, doch sie setzte sich durch.» Schweizer Familie

«Maria Colombo erzählt in einer eigenwilligen Sprache das schwierige Aufwachsen zwischen zwei Kulturen.» Club-Ticket

«In einer Sprache von eigenwilliger Schönheit beschreibt die in Pontresina aufgewachsene Autorin Maria Colombo eine Kindheit im Engadin.» Terra Grischuna

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