Aline Valangin
Raum ohne Kehrreim / Espace sans refrain
Ausgewählte Gedichte. Poèmes choisis
Herausgegeben und übersetzt von Hans Rudolf Hilty / Mit Illustrationen von Hans Arp / Mit einem Nachwort von Liliane Studer
April 2003
978-3-85791-428-7
Anders als in ihrer Prosa wendet sich Aline Valangin in den Gedichten dem Sprachexperiment und der Avantgarde zu. Sie dringt in die weniger fassbaren Bereiche des menschlichen Lebens vor, für die auch die Sprache weiter vom Alltag abrückt. Zweifel, Pessimismus und Melancholie bedrohen den sinnvollen Zusammenhang der Welt, in ihren symbolisch-surrealistischen Gedichten vermag Aline Valangin diesen Empfindungen und Gefühlen einen Ausdruck zu geben. In der Schönheit der Kunst werden und bleiben die düsteren Momente und Stimmungen aufgehoben.
Aline Valangins ausgewählte Gedichte erschienen erstmals 1961 als eines der «quadratbücher» von Hans Rudolf Hilty, der auch die deutschen Übersetzungen verfasste. Hans Arp schuf dazu drei Scherenschnitte.
© Limmat Verlag
Aline Valangin
Aline Valangin (1889–1986), aufgewachsen in Bern, Ausbildung zur Pianistin. Verheiratet mit dem Anwalt Wladimir Rosenbaum und in zweiter Ehe mit dem Pianisten Wladimir Vogel. Im Zürich der Dreissigerjahre führte sie in ihrem Haus einen Salon der künstlerischen Avantgarde, der zum Zufluchtsort für Emigranten wie Ignazio Silone oder Kurt Tucholsky wurde. Tätigkeit als Psychoanalytikerin, Publizistin und Schriftstellerin. Ab 1936 lebte sie im Tessin in Comologno im Onsernonetal und in Ascona.Hans Rudolf Hilty
Hans Rudolft Hilty, geboren 1925, aufgewachsen in St. Gallen, studierte in Zürich, war Schriftsteller, Journalist, Redaktor, Herausgeber und Übersetzer in St. Gallen und Zürich, lebte als Journalist und Schriftsteller in Jona bei Rapperswil, wo er 1994 verstarb.C’est mieux | Besser
C’est mieux Hier le chant du rossignol dans les bois Aujourd’hui son envol. Fin du mois des roses. Le tourment naît de la croissance. Le feu brûle le sol tendre qu’il hait sans pitié et fait crouler le toit brillant du roi. C’est bien, c’est mieux. |
Besser Gestern Nachtigallschlag im Gehölz. Heute entfliegt sie. Aus ist der Monat der Rosen. Marter entspringt dem Wachsen. Das Feuer sengt den zärtlichen Boden, den es hasst ohne Mitleid, und lässt einstürzen das glänzende Dach des Königs. Gut so, ja besser. |
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Vom Zug aus gesehen
1
Auf den Bergen Asche,
der Lack des Himmels gelb.
Am Hang Häuser, leer
oder von Toten bewohnt.
Träg blinkt der Fluss
aluminiumfarbig dem See zu,
darin er ertrinkt.
2
Bäume und Busch
wandern
über Kies in den Fluss.
Nebelnester in
schwarzem Gehörn
brüten den Wasserton aus.
3
Auf dem Maulwurfshügel
eine Windmühle.
Die Flügel erstarrt
die Uhr steht still.
4
Aus Seerose und Moos
steigt der Mondbaum auf,
perlenbehangen und von
Goldbienen umschwärmt.
5
Über die Mauer huscht
ein schwarzer Specht,
sucht zwischen Scharten
den Durchgang. Drüben
glitzert der See.
Im Nachen ein Ei.
Wer setzte es aus?