Werner Renfer
Frühzeitiger Herbst /Automne précoce
Gedichte Französisch und Deutsch
Herausgegeben und übersetzt von Christoph Ferber / Mit einem Nachwort von Barbara Traber
Mai 2012
978-3-85791-675-5
Werner Renfer (1898–1936), der erste ‹moderne› Dichter des Berner Juras, ist bis heute ein Geheimtipp geblieben. Seit seiner Jugend als Bauernsohn in Corgémont bis wenige Tage vor seinem frühen Tod hat er Gedichte geschrieben; selbst sein Roman «Hannebarde» oder seine Erzählungen sind nichts anderes als lyrische Prosa. Die hier von Christoph Ferber erstmals übersetzte Auswahl von rund sechzig Gedichten berücksichtigt neben den Bänden «Profils» (1927) und «La Beauté du Monde» (1934) auch die verstreut erschienene und nachgelassene Lyrik. Es handelt sich um erstaunlich moderne Gedichte (mit Anleihen an Apollinaire), meist in freien Versen, mit überraschenden Bildern und Brüchen. Renfer ist es gelungen, in wenigen Jahren ein eigenständiges poetisches Werk zu schaffen: Gedichte, die wahre Kleinode sind, voll Raffinement, mit einem eigenen, bald burlesken, bald melancholischen, oft naiv-ironischen Ton. Erst jetzt kann Renfers Lyrik, die lange vergessen war und im Original nicht mehr greifbar ist, wiederentdeckt werden.
© Pierre Nicolet
Werner Renfer
Werner Renfer, geboren 1898 in Corgémont, begann auf Druck seines Vaters an der ETH Zürich Agronomie zu studieren, brannte jedoch nach Paris durch, um freier Schriftsteller zu werden. Nach der Geburt seines Sohnes musste er in die Schweiz zurückkehren, um sein Studium abzuschliessen. War bis zu seinem Tod Redaktor des Lokalblatts «Le Jura bernois», versuchte das Tal kulturell zu beleben, litt an Einsamkeit. Wichtigste Werke sind «La Tentation de l’Aventure», «Hannebarde» und «La Beauté du Monde». Er starb 1936 in Saint-Imier.© Yvonne Böhler
Christoph Ferber
Geboren 1954. Aufgewachsen in Sachseln, Obwalden. Studium der Slawistik, Romanistik und Kunstgeschichte in Lausanne, Zürich und Venedig. Dort Promotion mit einer Arbeit zum russischen Symbolismus. Tätigkeit als freier Übersetzer. Wohnt auf Sizilien. 2014 Auszeichnung mit dem Spezialpreis Übersetzung des Schweizerischen Bundesamts für Kultur, 2016 dem Paul Scheerbart-Preis.Übersetzungen, fast ausschliesslich lyrischer Texte, aus dem Italienischen (Gaspara Stampa, Vincenzo Cardarelli, Eugenio Montale, Salvatore Quasimodo, Attilio Lolini, Giorgio Orelli, Giovanni Orelli, Pietro de Marchi, Remo Fasani, Aurelio Buletti, Francesco Chiesa, aus dem Russischen (Michail Lermontow, Fjodor Tjutschew, Sinaida Hippius, Fjodor Sologub, Wjatscheslaw Iwanow, David Samojlow), dem Französischen (Stéphane Mallarmé, Werner Renfer), dem Polnischen (Juliusz Slowacki) und Bulgarischen (Dimtscho Debeljanow).
© Markus Traber
Barbara Traber
Barbara Traber, geboren 1943 in Thun. Handelsdiplom, Auslandsaufenthalte in London, Lagos, Paris. Lebt in Worb BE als Autorin, Übersetzerin, Lektorin. Zahlreiche Veröffentlichungen, auch in Mundart.Quand s’éveille la rose du jardin | Wenn die Rose im Garten
Quand s’éveille la rose du jardin La pianiste d'en face Recommence à se faire la main En rejouant sur place Ses gammes du matin; D'entre notes et portées, Le jour se lève péniblement, Et peint indistinctement De rose le piano comme la femme.
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Wenn die Rose im Garten Frühmorgens erwacht, Kann's die Pianistin von drüben Nicht erwarten, Ihre Finger zu üben; Mit Tonleitern Will sie den Tag uns erheitern: Verdrießlich erhebt er sich, Verliert bald sein Grau, Um mit Rosa zu färben Piano und Frau. |
Le vent de pluie | Der Regenwind
Le vent de pluie n’a pas cessé de souffler Mais rient ne vient Tiède la terre attend Les oiseaux se sont tus Ma gorge se dessèche de tant crier Ce que plus personne ne se rappelle plus Au-delà de ma main Une feuille s’est émue N’en peut plus et tombe La pluie est lente à venir L’amour fait crier nos pas sur le sable Une lampe brûle |
Der Regenwind weht unaufhörlich Doch nichts kommt Lauwarm wartet die Erde Die Vögel schweigen Vor lauter Schreien wird trocken mein Hals Woran sich nun niemand erinnert Jenseits der Hand Erzittert ein Blatt Hat keine Kraft mehr und fällt Der Regen kommt langsam Wir gehen über Sand – unsere Schritte Schreien vor Liebe Eine Lampe brennt |
«Diese erstaunlich moderne Lyrik braucht man eigentlich kaum zu analysieren oder zu erklären. Man muss die Gedichte in ihrem Charme, ihrem Zauber, ihrer Unmittelbarkeit und jugendlichen Frische einfach auf sich einwirken lassen. Dann spürt man die Absicht und das Bedürfnis Renfers, seine Gefühle, Gedanken und Impressionen in einer lyrischen, wie Kristall glänzenden Sprache in Form eines lebendigen Gedichts zu giessen.» dialog
«Renfer, bald eher naturlyrisch, bald eher expressionistisch, ist auf der Suche nach einer möglichen Transzendenz. Möglich mit poetischen Mitteln. So findet er das Kosmische in den Sinnen-Dingen, das Licht im Stein. Seine Gedichte sind buchstäblich sonnenhungrig.» Neue Zürcher Zeitung