Un giorno della vita / Ein Tag des Lebens
Giorgio Orelli

Un giorno della vita / Ein Tag des Lebens

Erzählungen italienisch und deutsch

Übersetzt von Julia Dengg / Mit einem Vorwort von Pietro De Marchi

248 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Februar 2014
SFr. 38.–, 38.– €
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978-3-85791-704-2

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Dass Giorgio Orelli auch Erzählungen geschrieben hat, wissen im deutschsprachigen Raum nur Eingeweihte, da er sich bis jetzt geweigert hat, sie für eine Neuauflage oder eine Übersetzung freizugeben. Sie liegen jetzt erstmals in deutscher Sprache vor, die zweisprachige Ausgabe macht zugleich das Original wieder zugänglich. Giorgio Orellis Prosa zeichnet vieles aus, was auch seine Poesie so bestechend macht. Kleine Szenen des Alltags leuchten in sinnlicher Sprache und gleichnishafter Tiefe, eine freundliche Ironie taucht sie in ein humanes Licht. Diese Erzählungen, die bis heute nichts von ihrer Frische verloren haben, spielen im dörflich-ländlichen Tessin und im Italien der Fünfzigerjahre. Meist sind junge Männer unterwegs, mit dem Auto, dem Fahrrad, zu Fuss. Sie sitzen am Fluss, gehen durch Quartiere, baden im See. Alte Frauen finden, sie sollten heiraten, und wissen manchmal bereits, wen. Sie aber fliehen mit ihrer Liebsten vor den Augen hinter den Fenstern.

Giorgio Orelli
© Yvonne Böhler

Giorgio Orelli

Giorgio Orelli, 1921–2013, lebte als Lyriker und Literaturwissenschafter in Bellinzona. Studium an der Universität Freiburg i.Ue., Dozent der italienischen Literatur am Gymnasium in Bellinzona. Intensive Beschäftigung mit Goethe sowie Goethe-Übersetzungen. 1988 ausgezeichnet mit dem Grossen Schillerpreis.

«Der bedeutendste Lyriker der Schweiz – für alle Sprachen.» Börsenblatt für den deutschen Buchhandel

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Julia Dengg
© Elisabeth Dengg

Julia Dengg

Julia Dengg, geboren 1986 in Steyr (Österreich), studierte Übersetzen und Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien, Genua und Tiflis.

 

Auszeichnungen

  • Preis «Terra nova» 2015 der Schweizerischen Schillerstiftung für die Übersetzung von Giorgio Orellis «Un Giorno della vita»
  • Förderpreis 2015 des Deutsch-Italienischen Übersetzerpreises für die Übersetzung von Giorgio Orellis «Un Giorno della vita»

 

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Pietro De Marchi

Pietro De Marchi, geboren 1958 in Seregno (Mailand), lebt seit 1984 in Zürich und lehrt dort italienische Literatur an der Universität. Er schreibt Gedichte und Kurzprosa. 1999  erschien der Gedichtband «Parabole smorzate e altri versi» mit einem Vorwort von Giorgio Orelli. Für seinen Band mit Gedichten und Prosastücken «Replica» erhielt er den Schillerpreis und eine kulturelle Auszeichnung des Kantons Zürich. «Das Orangenpapier / La carta delle arance» wurde mit dem Gottfried-Keller-Preis 2016 ausgezeichnet.

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Ein wiederentdecktes Buch
Von Pietro De Marchi

Scherzo | Scherzo

Ampelio | Ampelio

Nachmittag im Sommer | Pomeriggio d'estate

Cristina | Cristina

Halt am Lago d'Iseo | Sosta al lago d'Iseo

Abendstück | Serale

Veronica | Veronica

Per un filino d'erba | Per un filino d'erba

Frühling in Rosagarda | Primavera a Rosagarda

Der Tod der Katze | La morte del gatto

Ländliche Suite | Suite provinciale

Militärische Suite | Suite militaresca

Ein Tag des Lebens | Un giorno della vita

Über den Fürsten Filippo di Motto Bartòla und das Motto dieser Erzählungen
Nachwort der Übersetzerin

Pomeriggio d'estate | Nachmittag im Sommer

Pomeriggio d'estate

L'altr'ieri la nostra piccola citt pareva tutta vuota, e andando pervicoli e piazzette, ecco, qua e l , in un poco d'erba, su uno scalino,ma specialmente per terra, io altro non trovavo che biglie, biglietutte di media grossezza, variegate.

Ne riempii le tasche e intanto uscivo in bicicletta di citt ,m'avviavo al fiume.

Ma anche lungo il fiume non vedevo che biglie, biglie d'ugualegrossezza, variegate: ormai non le raccoglievo pi . A un tratto,con la coda dell'occhio scorgo un nero che ondeggia e mi salta sulportapacchi, mi volto e vedo una scimmia, simile pi a uno scimpanzéche a una bertuccia, una testa da giudice che ha appenatenuto giudizio o lo terr fra poco.

Devo dire che in questa piccola citt mi sono un po' abituatoalla presenza inattesa, e pi alla strana condotta, di certi animali.Una sera, sotto il Grotto dove vado per solito a cenare, quasi inciampoin un gufo, che stava lí,fermo come una scultura di Piero da Brusino, sull'asfalto bagnato,e quando, dopo averlo scrutato in faccia piegando (miscappa di ridere, ora che ci penso, ma dev'esser stato propriocosí), piegando la testa dalla parte opposta alla sua, mi chinai peraccarezzarlo, quello alz l'ali e, irritatissimo, tent ferirmi allanuca; talché a mia volta mi arrabbiai e cercai, invano, di colpirlo:crucciato, ma tutt'altro che rotto, vol su un pino dove lo sottrassela notte.

Ora la scimmia; sorpreso pi che spaventato, prima cercai dicacciarla via, poi, visto che s'accovacciava buffamente amichevole,proseguii con la strana soma. Ma poco pi in l fugg , si rimpiatt dietro a un muro piegato a paravento (per il tiro al piattello,mi dissero, da me non l'avrei mai compreso), dove prendeva ilsole la Cleopatra, che nell'ombelico ha un ciuffo di prezzemolo.

Non osavo sedermi senz'altro accanto a lei, per (la scimmiachiss dov'era) le dissi buongiorno e che da tanto tempo desideravosalutarla, perché, almeno, capisse che io non sono di quelliche quando la incontrano fanno apposta a guardare da un'altraparte, come appunto sembrava che lei facesse con me.


Nachmittag im Sommer

Vorgestern kam mir die kleine Stadt vollkommen leer und tot vor, und als ich durch die Gassen und Straßen wanderte, fand ich, da und dort, an einem Grasrand, an den Stufen und besonders am Boden nichts als Murmeln, marmorierte, mittelgroße Murmeln, eine um die andere. Ich tat sie in meine Tasche, gelangte dabei mit dem Rad aus der Stadt und fuhr zum Fluss hinunter.

Aber auch am Fluss sah ich nur Murmeln, marmorierte, gleichgroße Murmeln: ich sammelte sie gar nicht mehr ein. Plötzlich erspähe ich im Augenwinkel etwas Schwarzes, das schaukelt und mir auf den Gepäckträger springt, ich wende mich um und sehe einen Affen, der mehr einem Schimpansen gleicht als einem Makaken, mit einem Gesicht wie ein Richter, der ein wichtiges Urteil gesprochen hat oder bald spricht.

Ich muss gestehen, ich habe mich wohl in dieser Stadt ein wenig an die unerwartete Gegenwart, und mehr noch, an das wunderliche Verhalten gewisser Tiere gewöhnt. Eines Abends, unter dem Grotto, wo ich oft essen gehe, stolpere ich fast über einen Uhu, der dort hockte, starr wie eine Statue von Piero da Brusino, auf dem nassen Asphalt, und als ich in sein Gesicht starre, den Kopf (ich muss lachen, wenn ich dran denke, aber so muss es gewesen sein), den Kopf zu ihm beugend, dem seinen gegenüber, bückte ich mich, um ihn zu berühren, er hob die Flügel und wollte mich, verärgert, am Nacken verletzen; weswegen ich ebenso wütend wurde und vergeblich versuchte, ihn zu schlagen: zornig, aber alles andere als lädiert, flog er auf eine Ulme und mummte sich in das Dunkel. Und nun der Affe; mehr überrumpelt als erschrocken, versuchte ich erst, ihn fortzuscheuchen, dann, als er sich drollig und zutraulich zusammenrollte, radelte ich mit der lustigen Last davon. Aber wenig weiter und er war wieder weg, versteckte sich hinter einer als Windschutz verwendeten Wand (zum Wurfscheibenschießen, wie man mir sagte, sonst wüsst' ich das nicht), wo die Cleopatra in der Sonne lag, ein Petersiliebüschel im Bauchnabel.

Ich wagte es nicht, mich so ohne Weiteres neben sie zu setzen, aber (der Affe, wer weiß, wo der war) ich wünschte ihr einen guten Tag und sagte, ich wolle sie schon lange grüßen, damit sie wenigstens wisse, dass ich nicht wie die anderen woandershin schaue, wenn ich sie treffe, so wie sie es offenbar mit mir mache.

P.S. Buchbeilage, 6 März 2014
Literaturkritik.de, 11. Juni 2014
Neue Zürcher Zeitung, 13. Januar 2014

«Die funkelnden Miniaturen sind deshalb verblüffend, weil der 2013 verstorbene Orelli vor allem als Lyriker ein Begriff war. Dass er auch Prosa schrieb, die ohnehin nie auf Deutsch erschienen war, geriet ins Hintertreffen. (...) Vor allem die Stimmung der Erzählungen nistet sich im Leser ein – schlitzohrig, vergnügt, manchmal auch melancholisch.» Neuen Zürcher Zeitung

«Wer seine Lyrik-Bände gelesen hat, trifft in den Erzählungen wieder auf Bekanntes: Osterias, Jäger, Vögel, Landschaften, Berge, Frauen. Die zweisprachigen Erzählungen sind – gerade wegen ihrer Sprunghaftigkeit – spannend und geben der Fantasie viel Spielraum.» P.S.-Buchbeilage

«Es ist eine verdienstvolle Leistung, die erstaunlichen Texte von Giorgio Orelli auch einem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht zu haben.» literaturkritik.de

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